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Eis am laufenden Band

Eis am Stiel, Eiswürfel, Slush Ice oder Crushed Ice – für uns ist Eis heute selbstverständlich. Es ist fast jederzeit verfügbar und gut lager- und […]

Frau blickt durch Fernglas auf den Hafen
22. Feb. 2024
5 min Lesezeit
Historisches Foto: Männer stehen im Eiswerk Bremerhaven vor einer riesigen, hinter ihnen aufragenden Eisplatte.

Eis am Stiel, Eiswürfel, Slush Ice oder Crushed Ice – für uns ist Eis heute selbstverständlich. Es ist fast jederzeit verfügbar und gut lager- und haltbar. Das ist nicht immer der Fall. Und das ausgerechnet zu Zeiten, wo es dringend benötigt wird. Ohne Kühlmöglichkeit verderben Lebensmittel. Und ohne Kühlung sind komplette Fischfänge der Fischfangboote ruiniert. Was also tun, wenn gerade keine Minusgrade herrschen und Winter ist?

Ohne Eis geht es nicht

Die Seestadt Bremerhaven ist Keimzelle der Deutschen Hochseefischerei. Daher ist gerade hier der Bedarf an Eis für den gefangenen Frischfisch groß. Im Fischereihafen liegen seinerzeit die Fischkutter im Päckchen (Seite an Seite an den Kajen). Ihre Fanggebiete sind begrenzt. Denn ohne ausreichende Kühlung müssen sie schnell wieder den Hafen anlaufen, die empfindliche und leicht verderbliche Ladung löschen und zur Auktion unter den Hammer bringen.

In Bremerhaven erntet Eis

Der Schiffszimmermann, Fischer, Reeder und Begründer der Deutschen Hochseefischerei Friedrich Busse errichtet bereits 1888 ein Eishaus. Allerdings kann er zu dieser Zeit das Eis noch nicht maschinell herstellen. Er muss es „ernten“ lassen. Wie erntet man Eis, mögt Ihr Euch fragen? Busse legt Eisteiche an. Während der Frostperiode beginnt dann die schwere Arbeit. Zuerst werden mit einem Eispflug Furchen in das Eis geschnitten. Anschließend wird das Eis mühevoll mit Hilfe von Sägen zerteilt. Die so entstehenden Blöcke mit einer Dicke von bis zu 15 Zentimetern und Seitenlängen von 0,6 x 1 Meter wiegen etwa 100 Kilogramm.

So kalt wie die Winter auch sind zu der Zeit, frieren tun die Arbeiter bei dieser schweren Arbeit nicht. Die schweren Blöcke lässt Busse im Eishaus lagern, bevor er sie zerkleinert an die Fischereiboote gehen. Allerdings weist das Eis Verunreinigungen von Ablagerungen, Pflanzen oder anderem in den Teichen auf. Auch gibt es keine Garantie für kalte Winter, sodass das Eis knapp werden kann und im schlimmsten Fall sogar aus Norwegen importiert werden muss.

Historische Aufnahme vom Eiswerk Bremerhaven
Eiswerk Bremerhaven (c) Historisches Museum Bremerhaven

Ganzjährig verfügbar

Busses Plan: Er will eine ganzjährige, verlässliche Eisproduktion. 1911 errichtet er das Eiswerk. 1912 nimmt er die Geestemünder Eiswerke F. Busse in Betrieb. Damit ist er der größte Eisproduzent Deutschlands und beliefert ausschließlich die Fischindustrie.

Jeder Fischtrawler verlässt Bremerhaven mit bis zu 120 Tonnen in den Schiffsbäuchen zur Kühlung des Fangs. Weiteres Eis steht bei Rückkehr der Schiffe bereit und wird über den Fisch in den Körben und Kisten geschaufelt. Ein Knochenjob!

Saubere Elektro-Lastwagen

In die Auktionshallen gelangt das Eis mit elektrobetriebenen Lastwagen. Ja, E-Autos gibt es in Bremerhaven damals schon! Hansa-Lloyd in Bremen baut diese Elektro-Eislaster. Abgase von Verbrennungsmotoren sind in den Auktionshallen und in der Nähe vom Frischfisch nämlich strengstens verboten. Der letzte von ihnen ist 1990 außer Dienst. Einen Original-Lastwagen seht Ihr übrigens im Historischen Museum Bremerhaven.

Gleich in der Nähe der großen Dampf-Kältemaschine, mit der das Eis produziert wird. In die Zylinder dieser Röhren-Eisanlage wird Trinkwasser gefüllt und von außen mit Ammoniak gekühlt, sodass der Gefriervorgang in Gang gesetzt wird. (Tipp: Fragt die Mitarbeiter*innen im Historischen Museum, ob sie Euch eine Vorführung der Maschine geben können).

Historische Aufnahme, wie ein Lastwagen der Eiswerke Bremerhaven Eis auf ein Förderband kippt, von wo Arbeiter es weiterbefördern.
Eis am laufenden Band (c) Historisches Museum Bremerhaven

Mit dieser Dampf-Kältemaschine stellt Busse seinerzeit riesige Eisplatten her – die ersten Deutschlands. Mit einer Größe von sechs mal drei Metern und einer Dicke von bis zu 35 Zentimetern wiegen die Platten bis zu 5.000 Kilogramm. Sie werden an die Decke gehieft und fallengelassen. Die weitere Zerkleinerung erfolgt per Muskelkraft. Eine extrem anstrengende Arbeit für die über siebzig Arbeiter.

Historische Aufnahme der Dampf-Kältemaschine im Eiswerk Bremerhaven
Dampf-Kältemaschine im Eiswerk Bremerhaven (c) Historisches Museum Bremerhaven

Eis in all seiner Vielfalt

Heute verrichten acht Mitarbeiter die moderne Eisproduktion am neuen Standort im Fischereihafen, Kühlhauskai. Täglich werden über 150 Tonnen Eis produziert, wovon 70 Prozent immer noch an die Fischindustrie geliefert werden. Aber die Produktpalette hat sich in den Jahren enorm erweitert. So gehören heute Würfeleis, Feineis für Cocktails und Scherbeneis zum Portfolio. Letztes wird für Fischfilets benötigt, die sonst unter dickeren Eisstücken zerquetscht würden. Abnehmer von Eis in PE-Beuteln sind bundesweit die Fleisch- und chemische Industrie, Tankstellen sowie Eventagenturen. Die US-Army lässt seinerzeit ihre Truppen mit dem Eis aus Bremerhaven in Polen, Rumänien, Bulgarien und Griechenland versorgen.

Das Eis aus Bremerhaven rettet den Weltcup

Große Mengen Eis benötigen auch andere, die nichts mit der Lebensmittelindustrie zu tun haben. Dazu gehört auch die Indoor-Skihalle in Bispingen. Aber auch den Biathlon-Weltcup in Oberhof haben die Bremerhavener Eiswerke schon gerettet. 2006 fällt kein Schnee, der aber nun mal zwingend notwendig ist für einen Ski-Weltcup. Also rollen täglich sechs Transporter mit rund 300 Kubikmetern Kunstschnee von Bremerhaven zum Weltcup in Oberhof. Dafür mahlen die Profis vom Eiswerk das Eis mit einem speziellen Verfahren zur erforderlichen Schnee-Qualität. Auch die Skispringer in Willingen und Oberstdorf loben die Qualität des Bremerhavener „Schnees“.

Zwar wird am ehemaligen Standort der Bremerhavener Eiswerke kein Eis mehr produziert, aber durchaus noch genossen. Die ehemalige Produktionshalle der Bremerhavener Eiswerke ist heute die beliebte „Altes Eiswerk„-Location und beherbergt ein Restaurant, eine Trampolinhalle und eine Kidszone.

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