Am kommenden Wochenende tummeln sich im alten Hafen jede Menge historische Schiffe, denn es sind wieder „Schippertage“ in Bremerhaven. Die Aufmerksamkeit gilt den sogenannten „Plattbodenschiffen“, niedliche Schiffe, die durch das Wattenmeer fahren. Seid ihr schon mal auf einem solchen Schiff gewesen? Ich nicht, jedenfalls nicht bis vor kurzem.
Platt-Was?!
Um ehrlich zu sein bin ich nicht besonders bewandert, was die Schiffswelt betrifft. Als ich mich über die „Schippertage“ schlau gemacht und gelesen habe, dass dort „Plattbodenschiffe“ einlaufen werden, war mein erster Gedanke: „Platt – Was?“. Nun kann es ja nicht sein, dass mein Wissen über Schiffe als Küstenkind auf Stand „0“ bleibt, also habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich suchte einen Skipper auf, der an den Schippertagen teilnimmt und traf dabei auf Rolf Noll und sein Ein und Alles, die „Jonkvrouw“.
Skipper von ganzem Herzen
Ich fahre nach Bremen Vegesack, dort sind Rolf und ich verabredet. Im Hafen angekommen, muss ich zuerst einen Augenblick suchen, bis ich das kleine Plattbodenschiff hinter einem größeren Schiff entdecke. Mit rund 10 Metern Länge und einer Breite von 3,5 Metern ragt es nicht gerade aus dem Hafenbecken heraus. Ihr Charme dafür aber umso mehr. Ich betrete ein kleines, gemütliches Schiff und als ich meinen Fuß auf die hölzerne Oberfläche setze und Rolf mich herzlichst begrüßt, fühle mich irgendwie direkt heimisch. „Der Name des Schiffs ist „Jonkvrouw“, aber nicht wie die Jungfrau, sondern wie „die Frau vom Junker““, erklärt Rolf mir. Die Art des Schiffes nennt sich „Zeeschouw“ – und mit dem Baujahr 1963 ist sie auch nicht mehr die Jüngste und hat schon Einiges erlebt.
Klein, aber o-ho
2006 hat Rolf die „Jonkvrouw“ in den Niederlanden gekauft und seitdem Nord- und Ostsee beschippert. Polen, Dänemark und Holland hat Rolf schon mit seiner Frau bereist. Aber auch binnen ist er viel unterwegs. Ich staune, als er mir erzählt, dass ihr längster Törn acht Wochen dauerte. Eine ganz schön lange Zeit auf so einem lütten Schiff, wie ich finde – aber machbar. „Manche Plattbodenschiffe sind noch schmaler, für uns ist die Breite schon sehr praktisch.“ Er erlaubt mir einen Blick hinein und ich bin überwältigt. Von außen hätte ich nie erwartet, dass das Schiff doch so geräumig sein könnte. Ein großes Bett, eine Küche, ein Esstisch, sogar Dusche und WC – eigentlich alles, was man zum Wohlfühlen braucht.
So, warum denn nun eigentlich Plattbodenschiff?
Naja, ganz einfach. Das Schiff hat halt einen flachen Boden. Das hat einen ganz großen Vorteil, erklärt Rolf mir. „Da der Boden platt ist, ist es unproblematisch, wenn wir Ebbe haben. Das Schiff kann dann einfach liegenbleiben bis die Flut wiederkommt.“ In der Tat – sehr praktisch. Da die „Jonkvoruw“ einen geringen Tiefgang von nur 80 Zentimetern hat, kann sie in Küstennähe fahren und der Tidenhub macht somit keine Schwierigkeiten. Ein normales Schiff hingegen würde dann umkippen. „Man sollte nur nicht unbedingt auf dem höchsten Punkt trocken fallen“, schmunzelt Rolf, „dann hat man ein Problem.“
Wie kommt man denn eigentlich dazu?
„Tjoa… irgendwann hat man seinen Segelschein gemacht, dann will man halt auch segeln gehen“. Ja gut, so einfach kann das sein. Seit 1972 beschäftigt Rolf sich mit Schiffen. Heute ist er sogar 1. Vorsitzender des Vereins „Kutter – & Museumshafen Vegesack“. „So ein Hobby funktioniert aber nur, wenn die Frau auch mitspielt.“ Seine Ehefrau Ute ist immer mit unterwegs. Als ich äußere, dass es sicherlich schön ist, immer mitreisen zu können, guckt sie mich mit großen Augen an. „Mitreisen? Ich kümmere mich um die Küche, die Maschine und die Segel ziehe ich auch hoch. Und mein Mann sitzt immer nur an der Pinne“, lacht Ute. „Aber so kann er ja auch immer eine junge Dame umschlingen“, und zeigt auf den schlanken Holzgriff. Bei Rolf und Ute wird gerne mal ein Spaß gemacht. Darum scheue ich mich nicht zu fragen, was mich schon seit Ewigkeiten kratzt: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Boot und Schiff?“ Offenbar gar nicht so einfach zu beantworten. „Joa… Schiffe sind irgendwie alle, Boote wenn sie klein sind”. Diese Antwort entspricht meiner Vermutung. “Und wenn man einen längeren Text schreibt, ist man wohl froh, dass es beide Wörter gibt, damit man sich nicht so oft wiederholt”, scherzt Rolf. Klingt plausibel – so wird es wohl sein.
Wo geht’s als Nächstes hin?
„Wir möchten gerne nochmal zur Ostsee und nach Holland fahren, dort ist es besonders schön“. Dieses Jahr geht es aber nur noch zur „WattenSail“ nach Carolinensiel und zu den „Schippertagen“ nach Bremerhaven. Bei den Schippertagen sind die beiden Stammgäste. „Das schönste an diesen Veranstaltungen ist, dass man sich mit Gleichgesinnten treffen kann.“ Besonders groß ist die Vorfreude der beiden auf die „Sail Bremerhaven“ nächstes Jahr.
Auch für kleine Schiffe braucht es Organisationsaufwand
Rund 20 Schiffe sollen zu den Schippertagen vom 16.-18. August einlaufen. Ein Gastronomieangebot und Musikprogramm gibt es ebenfalls, auch das muss alles organisiert werden. Zurück in Bremerhaven wende ich mich an das Orga-Team der Schippertage und erkundige mich über den Aufwand der Veranstaltung.
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Katharina Loske, Angestellte der Erlebnis Bremerhaven und zuständig für die Organisation der Schiffe, erzählt, dass die kleinen Traditionsschiffe die Veranstaltung besonders machen. Diese gäbe es heute leider nicht mehr so häufig. „Viele kommen aus der Umgebung – Dorum, Carolinensiel, Vegesack – ein paar sind aber auch aus den Niederlanden dabei.“ Ein Highlight der Veranstaltung ist bei der Einlaufparade das Drehen der Glasbrücke über dem Alten Hafen. „Wann ist die Brückenöffnung genau? Wo ist mein Liegeplatz? Wo finde ich den Stromanschluss?“, das sind Fragen, die Katharina immer wieder zu hören bekommt. Ihre Kollegin Talika hingegen kümmert sich um das Musikprogramm. „Die Bühne der Schippertage ist sehr klein. Auf 24 Quadratmetern ganze Chöre unterzubringen ist nicht besonders leicht“, erzählt Talika. Aber, dass ihr die Arbeit gefällt, merke ich sofort. „Ich habe große Freude daran, dass wir durch die Schippertage eine weitere Veranstaltung haben, auf der ich eine Bühne betreuen darf.“ Etwa drei Monate im Voraus fangen die beiden mit der Planung an.
Mit Sicherheit viel Spaß
Fehlt aber noch jemand, der sich um den Marktaufbau und die Sicherheit kümmert. Team-Kollege Tobias Karner ist dafür zuständig. Sich im Veranstaltungsgeschäft mit der Sicherheit zu beschäftigen ist eine Herausforderung. „Seit den Geschehnissen in Duisburg haben sich die Vorkehrungen stark verändert“, erklärt Tobias, daher ist er viel mit der Erstellung von Sicherheitskonzepten beschäftigt. Insbesondere das Thema Flucht- und Rettungswege ist brisant. „Ist noch ein Platz frei? Ich habe nur ein paar Meter für meinen Stand“, ist häufig die Frage der Marktaussteller. Aber immerhin fragen sie. „Es gibt genügend Teilnehmer, die sich den Platz dann einfach nehmen wollen“ schmunzelt Tobias. Denen muss er dann einen Strich durch die Rechnung ziehen. Der Job bringt ihn in Kontakt zu vielen Menschen. „Viele sind auch wiederkehrende Teilnehmer, weil sie die familiäre Atmosphäre sehr mögen. Man baut sich ein richtiges Netzwerk auf, in dem einer dem anderen hilft, das ist wirklich toll.“
Nachdem ich mit so vielen interessanten Menschen ins Gespräch gekommen bin und erkannt habe, wie viel Arbeit und Herzblut an so einer Veranstaltung hängt, bin ich umso gespannter auf die Schippertage. Eine Plauderei mit einem der Skipper kann ich nur empfehlen. Die können nämlich Geschichten erzählen, die man nicht alle Tage hört.
Die Einlaufparade der Plattbodenschiffe, sowie die Öffnung der Glasbrücke finden am Freitagnachmittag um 15 Uhr statt. Besonderheit in diesem Jahr: der wandernde Pianist Josef Barnickel begleitet das seltene Ereignis.
Bis Sonntagabend sorgt das abwechslungsreiche Musikprogramm für Unterhaltung.
Informationen zur Veranstaltung unter
www.bremerhaven.de/schippertage
Autorin: Lea Runck
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