Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft… Seit Wochen hat gefühlt jeder am Theater diesen Ohrwurm. Nachdem Ende Dezember die Proben für die Operette Frau Luna begonnen haben, hört man diesen Schlager auf allen Gängen, aus allen Räumen. Überall wird die eingängige Melodie gesungen oder gesummt – nur nicht gepfiffen, denn es hält sich ein alter Aberglaube:
Pfeifen im Theater bringt Unglück!
Das rührt noch aus einer Zeit, als im Theater ausschließlich mit Gaslampen geleuchtet wurde und es aufgrund mangelnder Brandschutzvorrichtungen häufig zu Feuerausbruch kam. Das war damals besonders fatal, da es auf Bühnen nun mal viel Holz und Stoff gibt, und sich das Feuer so rasend schnell ausbreiten konnte. Das pfeifende Zischen der Lampen bedeutete Gasaustritt und war das Alarmsignal. Daher wurde Ende des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum ein Gesetz festgelegt, dass jedes Theater einen sogenannten Eisernen Vorhang einbauen muss. Heute gibt es zwar wenig offenes Feuer auf der Bühne – manchmal wird neben E-Zigaretten noch „echt“ geraucht – und es ist zur Sicherheit auch bei jeder Vorstellung jemand von der Feuerwehr anwesend. Aber die Massen an leistungsstarken Scheinwerfern, mit denen die Vorstellungen heute geleuchtet werden, können im Ernstfall nicht weniger gefährlich werden. Sobald dieser Ernstfall aber eintritt, ist innerhalb von 30 Sekunden das eiserne Brandschutz-Tor runtergefahren. Dieses riegelt Bühne und Zuschauerraum sowie die Seitenbühnen sicher voneinander ab, so dass sich das Feuer nicht weiter ausbreiten kann.
Theaterzauber
In meiner Zeit am Theater habe ich schon unzählige Hausführungen gegeben. Gerade Theaterhistorie und -technik hat mich immer interessiert und ich entdecke ständig wieder etwas Neues, was ich noch nicht kenne auf der Bühne. Vor allem wenn man mal die Zeit hat, mit älteren Kollegen zu plaudern, die schon länger am Haus sind und noch vor der technischen Modernisierung auf der Bühne gearbeitet haben, bekommt man eine Ahnung davon, was für ein Knochenjob das früher gewesen sein muss. Und dennoch: von vorne sah es immer – damals wie heute – zauberhaft und wie von Geisterhand bewegt aus, wenn Kulissenteile oder Darsteller aus dem Bühnenhimmel schweben.
Was aber am häufigsten nachgefragt und gewünscht wird, ist bei fast allen Führungen immer wieder ein Blick in den Fundus, die Schneiderei oder die Maske.
In der Kostümabteilung arbeiten am Stadttheater Bremerhaven derzeit 22 Personen. Neben einem großen Fundus, der weit über 30.000 Kleidungsstücke beherbergt, werden viele Kostüme hier maßgeschneidert oder auch umgeschneidert und gefärbt. Alles was zum Kostüm gehört wird hier für die Produktionen zusammengestellt oder angefertigt. Dazu gehören neben den Kleidern auch Schuhe oder Kopfbedeckungen. Perücken fallen allerdings in den Zuständigkeitsbereich der Maskenbildner.
Einblicke in die Arbeit eines „Gesichts-Stuckateurs“
Neben Chefmaskenbildner Raimond Otterbein-Bruhn und seinem Stellvertreter Henrik Pecher arbeiten sieben weitere Kolleginnen in der Maskenbildnerei sowie zahlreiche Aushilfen.
Henrik ist seit 2004 am Stadttheater Bremerhaven beschäftigt. Nach seiner Ausbildung, zunächst als Bankkaufmann und anschließend als Visagist, hat ihn nach zwei Jahren in dem Beruf bereits die Langeweile gepackt. Da er schon lange seine Leidenschaft für das Theater im Privaten gepflegt hat, ob im Kinderchor oder als Statist, hat er sich für eine Ausbildung am Theater entschieden und Maskenbildner an der Oper Wuppertal gelernt.
Der Reiz des Hässlichen
„Schön-Schminken war mir einfach zu langweilig“ sagt Henrik, und zeigt mir gleich eines seiner liebsten Stücke aus der Maskenbildnerei: den Dummy – einen abgeschlagenen Kopf, der schon in mehreren Stücken zum Einsatz kam. Nach dem ein Abdruck von einem Gesicht genommen wurde, ist dieser ausgegossen worden und dann weiter geformt und bearbeitet worden.
Nicht nur das Schöne rausholen aus einem Menschen, sondern z.B. auch mal jemanden auf alt, d.h. Falten zu schminken oder eine Glatze zu modellieren. Die Darsteller so zu verändern, dass man den Mensch dahinter überhaupt nicht mehr erkennt, das ist der Reiz seiner Arbeit. Denn nicht nur mit Make-Up, Puder und Lidschatten wird hier dick aufgetragen, um die Maske auch im starken Scheinwerferlicht sichtbar werden zu lassen. Auch mit verschiedenen Chemikalien zum plastinieren und modellieren oder Theaterblut wird hier tagtäglich gearbeitet – je nach dem, was für die einzelnen Rollen der Darsteller entworfen wird.
Wie in allen anderen Werkstätten am Theater wird auch in der Maske parallel an unterschiedlichen Produktionen gearbeitet – bei fast 30 Premieren pro Spielzeit ist das nötig.
Wenn die Vorplanung des Regieteams vom Intendanten abgesegnet ist, geben die Bühnen- und Kostümbildner ihre Pläne an die Abteilungen weiter. Anhand der Figurinen werden dann die entsprechenden Kostüme und Perücken von den jeweiligen Abteilungen geplant und hergestellt.
In einer Perücke stecken um die 40 Arbeitsstunden. Jetzt verstehe ich auch, warum Echthaar-Perücken so teuer sind – günstige Karnevals-Perücken gibt es immerhin schon ab ein paar Euro. Gerade für den Theaterbereich ist es aber wichtig, dass die Perücken aus Echthaar sind – und auch das kostet mehr als das Pendant aus Plastik. Sie können dafür aber auch immer wieder individualisiert werden, geschnitten oder umgefärbt – und am wichtigsten: frisiert werden. Im Gegensatz zu Kunsthaar können Echthaar-Perücken für den täglichen Theaterbetrieb auch mit Hitze behandelt werden, und das ist nötig, um die Frisuren für die Bühne immer wieder aufzuhübschen. Denn nach einer langen Vorstellung, in der z.B. getanzt, gerannt, gerangelt, geschmust, geturnt und ganz sicher geschwitzt wurde, hängen sich die frisch frisierten Locken auch gerne schnell mal wieder aus. Um die zerstrubbelten Haare wieder auf Vordermann zu bringen, müssen die Perücken also vor jeder Vorstellung wieder neu gelegt werden.
Für die Operette Frau Luna, die am 3. Februar Premiere feiert, haben Henrik und sein Team vor allem an der titelgebenden Figur Frau Luna sehr aufwendig gearbeitet. Die mondblau schillernden Haare wurden gefärbt, mit einer Silberspülung ausgewaschen, wieder gefärbt und mit Glitzer besprüht. Sie passen nun perfekt zu dem irisierenden Kleid der Mond-Göttin.
Wer die Kostüme und Masken in voller Pracht sehen will – denn natürlich werden sie erst durch die Darsteller zum Leben erweckt – kann diese ab dem 3. Februar 2018 im Großen Haus des Stadttheaters Bremerhaven erleben. Doch seid gewarnt, ihr werdet nicht ohne Ohrwurm nach Hause gehen – denn Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft…
Frau Luna wird vom 3. Februar bis zum 10. Juni 2018 im Stadttheater Bremerhaven aufgeführt. Karten kosten zwischen 16,00 und 37,00 EUR (bzw. 19,00 – 40,00 EUR zur Premiere).
Wer an weiteren Blicken hinter die Kulissen interessiert ist und sehen möchte, wie das Theatermachen backstage funktioniert, kann an einer monatlich stattfindenden Theaterführung teilnehmen. Karten à 3 Euro gibt es an der Theaterkasse oder online. Alle aktuellen Termine sind zu finden unter www.stadttheaterbremerhaven.de/spielplan.
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