Seit März 2021 haben wir als Historisches Museum eine große Heißmangel in unserer Sammlung. Sie wird gerade im Foyer gereinigt und bietet somit die Möglichkeit, live zuzusehen, was mit einem technischen Gerät im Museum geschieht. Die Heißmangel passt hervorragend in unsere bereits bestehende Sammlung zum Thema Wäschepflege. Die Gelegenheit, sich zu fragen, wie das mit der „Großen Wäsche“ früher war…
Die Heißmangel in Lehe
Die Heißmangel war bis Herbst 2020 noch voll im Einsatz. Karin Lupo betrieb in der Eupener Straße 44 in Lehe eine Heißmangel in zweiter Generation. Ihre Mutter Lieselotte Scheidemann hatte das Geschäft 1953 von Familie Böttcher übernommen. Für viele Bremerhavener*innen war das Eckgebäude über Jahrzehnte die Adresse für glatte Tischdecken, Bettwäsche und Gardinen. In den 1950er und 1960er Jahren arbeiteten hier mehrere Angestellte, um die Wäscheberge zu bewältigen. Frau Scheidemann mangelte auch Wäsche von Schiffen, die zuvor von der Wäscherei Heschel in der Körnerstraße gewaschen worden war. Damit schafft die Heißmangel in unserer Sammlung auch eine Verbindung zur Hafenwirtschaft.
Seit den 1970er Jahren ging die Nachfrage nach professionell geplätteter Wäsche jedoch zurück. Kunstfasern sorgten für nahezu knitterfreie Kleidung und Haushaltswäsche direkt aus der Waschmaschine. Die aktuelle Gasumstellung bedeutete schließlich vor einigen Monaten das Aus der Heißmangel, obwohl sie immer noch voll funktionsfähig ist. Und so kam die Mangel ins Museum.
Wie alt unsere Heißmangel genau ist, ist schwer zu sagen. Hergestellt wurde sie von der Firma Gebrüder Stute in Hannover im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Offen ist auch, womit sie ursprünglich angetrieben wurde. Der Elektromotor, der bis zuletzt genutzt wurde, stammt aus den 1960er Jahren.
Um zu mangeln, wärmte Karin Lupo die Maschine zunächst etwa eine Stunde vor. Während des Zweiten Weltkriegs mussten Kund*innen sogar ihre eigenen Briketts mitbringen, wenn nicht genügend Kohle vorhanden war. In den letzten Jahrzehnten sorgte Gas für die nötige Wärme. Der Elektromotor trieb mit einem Keilriemen die 2,10 Meter lange Walze aus Gusseisen an und brachte sie zum Rotieren. Die feuchte Wäsche wurde auf das Brett gelegt und durch das Gewicht der Walze geglättet. Moderne Heißmangeln benötigen diesen Riemen nicht, sondern haben einen integrierten Motor. Somit ist die Heißmangel mit ihrem externen Motor aus Lehe eine Besonderheit.
Waschtag: Große Wäsche als Schwerstarbeit
Bevor Wäsche gemangelt wird, muss sie allerdings gewaschen werden. Die sogenannte „Große Wäsche“ war die zeit- und kraftintensivste Hausarbeit überhaupt. Daher wurde über Jahrhunderte deutlich seltener gewaschen als heute. Zudem hatten die meisten Menschen nur wenige Kleidungsstücke, die in der Regel auch selbst gefertigt waren, und wechselten diese seltener. Noch in den 1950er Jahren erledigte die Hausfrau meist einmal pro Woche die Kleine Wäsche als Handwäsche und nur ein bis zweimal pro Monat die Große Wäsche.
Die Große Wäsche war auch nur mit der Unterstützung aller Frauen eines Haushalts möglich. Wer es sich leisten konnte, heuerte für ein paar Tage noch Waschfrauen an, die gegen Kost und Bezahlung arbeiteten. Große Wäsche hieß für alle Beteiligten mehrere Tage schwere körperliche Arbeit.
Die Wäscherinnen weichten die Schmutzwäsche zunächst längere Zeit ein und kochten sie danach mit Asche (später auch mit Seife). Da die Asche zwar den Schmutz löste, aber kleine Aschereste zurück blieben, musste die Wäsche weiterbehandelt werden. Dies erfolgte mit einer Bürste auf einem Brett oder durch Rubbeln auf dem Waschbrett. Anschließend wurde die Wäsche mit fließendem Wasser, zum Beispiel an einem Fluss, gespült, ausgewrungen und aufgehängt.
Besonders schwer hatten es Frauen aus der Arbeiterschaft. Zum einen mussten sie die stark verschmutzte Arbeitskleidung der Männer waschen, zum anderen waren die Wohnverhältnisse meist so beengt, dass das Wäschewaschen, -trocknen und -bügeln in den kleinen Wohnungen äußerst schwierig war. Aus finanziellen Gründen fehlten auch Geräte, die die Wäschepflege vereinfachen hätten können.
Kein Wunder, dass die Große Wäsche nur in großen Abständen durchgeführt wurde. Soweit möglich wurde die Kleidung durch Schürzen und Kittel geschont. Im Winter wurde häufig nur die Kleine Wäsche erledigt.
Von der Hand- zur Maschinenwäsche
Im Hinblick auf die mühevolle Arbeit ist es nicht verwunderlich, dass es bereits Ende des 17. Jahrhunderts erste Versuche gab, den Waschprozess zu mechanisieren. Ziel war es, das mühevolle Drücken und Reiben durch die Hände zu ersetzen. Die ersten Erfolge waren jedoch bescheiden. Bei den frühen Hilfswaschmaschinen mussten die Hausfrauen die Wäsche erst in einem Kessel kochen und danach umladen. Mit Hilfe einer Kurbel wurde die Wäsche bewegt. Da diese Bottichwaschapparate aus Holz waren, konnte man diese auch nicht beheizen.
Erste elektrische Bottichwaschmaschinen kamen um 1900 auf den Markt. Allerdings mussten die Wäsche und das Wasser vor dem Waschen und Spülen weiterhin umgefüllt und gewechselt werden. Einen Aufschwung gab es in den 1920er und 1930er Jahren. Voraussetzung für die weitere Verbreitung der neuen Waschmaschinen war die Elektrifizierung der Haushalte. Noch waren die ersten Maschinen so schwer, dass sie nur für den Keller geeignet waren. Zudem wurden die Küchen in den Wohnungen kleiner. In Mehrfamilienhäusern und Siedlungen wurden daher Waschhäuser oder -küchen gebaut. Hier konntenalle Frauen ihre Wäsche waschen und anschließend plätten. Und dabei auch eine Klönschnack halten.
Gewerbliche Wäschereien setzten bereits mit Beginn des 20. Jahrhunderts Trommelwaschmaschinen ein. Doch viele Hausfrauen hatten Angst, dass ihre Wäsche darin beschädigt werden würde und wuschen lieber weiterhin selbst. In den Haushalten zogen Trommelwaschmaschinen erst später ein.
Erst in den 1950er und 1960er Jahren schufen mehr Haushalte eine Waschmaschine an. Die neuen Waschvollautomaten bedeuteten eine wirkliche Erleichterung: Sie konnten Wäsche nicht nur waschen und spülen, sondern auch schleudern. Die Vollautomaten erledigten den größten Teil der Arbeit von alleine. Übrig blieben noch das Trocknen und Bügeln.
Parallel dazu stiegen die Ansprüche an Hygiene und Reinlichkeit im Haushalt. Die Anzahl der Kleidungsstücke im Schrank wuchs, Ober- und Unterbekleidung wurde häufiger gewechselt. Kleinere Waschvollautomaten waren nun auch etagentauglich.
Bügeln, Plätten, Mangeln – so wird saubere Wäsche glatt
Schöne Wäsche muss auch glatt sein. Dazu verwendeten Frauen schon im Mittelalter Glättsteine und Wäschepressen. Ab etwa 1500 kamen Bügeleisen zum Einsatz. Viele Haushalte besaßen auch Handmangeln. Diese bestanden aus einer hölzernen Rolle, über die das feuchte Wäschestück gelegt wurde. Anschließend bewegte man die Rolle mit starkem Druck über ein Holzbrett.
Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Walzenmangel erfunden, die nach dem gleichen Prinzip funktionierte wie die Mangel im Museum: Die Wäsche wurde mit Hilfe einer Kurbel zwischen zwei Walzen durchgelassen. Die ersten Heißmangeln kamen 1850 auf den Markt. Zunächst wurden diese mit Kohlen beheizt, später diente Gas als Wärmequelle. Nach dem Ersten Weltkrieg versah man sie häufig mit einem Elektromotor als Antrieb.
Großzügig ausgestattete Haushalte hatten lange ihre eigene Mangel. Auch heute noch steht in manchem Waschkeller eine elektrische Bügelmaschine. Wer sich dies nicht leisten konnte, konnte seit den 1920ern auch stundenweise eine Mangel gegen Gebühr nutzen. Diesen Service boten Lebensmittelgeschäfte, Friseure und Drogerien. Oder man gab die Mangelwäsche in eine Wäscherei mit Mangel oder einen Heißmangelbetrieb und erhielt schrankfertige Wäsche gegen Gebühr – wie in der Eupener Straße 44.
Die Wäschemangel stand übrigens auch Patin für eine heute noch gebräuchliche Redewendung: Nimmt man jemanden in die Mangel, so setzt man die Person stark unter Druck, etwa bei einer Befragung oder einem Verhör – so wie ein Wäschestück beim Mangeln.
Was passiert mit der Mangel im Museum?
Was passiert nun mit der Mangel im Museum? Die Mangel durchläuft den Prozess der Musealisierung – sie wird von einem Gebrauchsgerät zum Museumsobjekt, das unter besonderem Schutz steht. Die Restauratorinnen haben die Mangel und ihre Teile genau begutachtet und fotografiert, nach möglichen Schäden gesehen und alles schriftlich und fotografisch dokumentiert. Nun erfolgt die Reinigung der Holz- und Metallteile mit speziellen Mitteln. Zum Abschluss erhält die Heißmangel eine Schutzschicht aus mikrokristallinem Wachs, um den aktuellen Zustand für die Zukunft zu sichern.
Parallel dazu wird die Mangel inventarisiert. Alle wichtigen Informationen werden dabei gesammelt und in einer Datenbank erfasst, damit künftige Generationen verstehen, wie diese große Maschine funktionierte und welche Geschichte(n) sich dahinter verbergen.
Alle gezeigten Objekte befinden sich in der Sammlung des Historischen Museums Bremerhaven.
Fotos: Historisches Museum Bremerhaven
Klutz
Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für diesen schönen Bericht und Nachricht. Diese gleiche Heißmangel, steht auch in Halle an der Saale und wird noch betrieben. Sie wurde vor circa 30 Jahren umgebaut auf elektrisch und konnte deshalb weiter betrieben werden. In naht Zukunft werden wir den Betrieb aber einstellen, da wir in unseren wohlverdienten Ruhestand gehen. Falls bei Ihnen oder einem anderen Textilmuseum Bedarf besteht, würden wir uns sehr freuen. Unser Herzblut hängt an dieser Maschine und es wäre schade, wenn sie verschrottet würde. Ihnen eine schöne Weihnachtszeit und bleiben Sie gesund. Herzliche Grüße aus Halle an der Saale, Ihr Detlef Klutz.
Kerstin Ras-Dürschner
Lieber Herr Klutz,
vielen Dank für Ihre nette Rückmeldung. Wie schön, dass so eine Heißmangel auch an anderen Orten noch so lange in Betrieb ist. Da wir bereits eine Mangel haben und unser Museum auf Bremerhavener Geschichte spezialisiert ist, können wir Ihr Angebot leider nicht annehmen. Ich hoffe, Sie finden noch einen guten Ort, an dem Ihre Mangel bleiben kann.
Viele Grüße aus Bremerhaven! Kerstin Ras-Dürschner
Mi
Wenn Sie die Maschine noch in Betrieb haben, dann machen Sie doch bitte ein Video davon und erklären Sie wie die Arbeit genau funktioniert. Es wäre vielleicht die letzte Möglichkeit, dies zu zeigen und zu dokumentieren. Eigentlich wäre es für das Museum eine wunderbare Gelegenheit, das zu tun was im Text beschrieben ist: „Alle wichtigen Informationen werden dabei gesammelt und in einer Datenbank erfasst, damit künftige Generationen verstehen, wie diese große Maschine funktionierte“. Kein Medium kann soetwas so gut erklären, wie ein Video. Noch dazu eins aus der alltäglichen Praxis.
Kerstin Ras-Dürschner
Liebe: Leser:in,
es freut mich, dass der Beitrag über unsere Mangel auf so großes Interesse stößt. Aus technischen und konservatorischen Gründen nehmen wir die ursprünglich gasbetriebene Mangel jedoch nicht in Betrieb. Insofern können wir leider auch kein Video drehen.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Historischen Museum Bremerhaven
Kerstin Ras-Dürschner
Eva-Maria Jasarevic
Hallo nach Bremerhaven! Wir habe in unserem ASA (Arbeitskreis Salzwedel Altstadt) eine sehr große alte Mangel zu stehen, die wir schon wegen fehlendem Platz nicht gebrauchen können. Unser Heimatmuseum in Diesdorf will sie leider nicht haben. Wäre unser Objekt etwas für das Museum? Zerstören möchten wir sie nämlich auch nicht! Bitte um Antwort!
Liebe Grüße aus der Altmark, Eva-Maria Jasarevic
Kerstin Ras-Dürschner
Liebe Frau Jasarevic,
schön, dass Sie auf meinen Beitrag gestoßen sind. Da wir bereits eine Mangel besitzen, haben wir leider keinen Platz mehr für eine weitere. Zudem sammeln wir als Historisches Museum Bremerhaven vor allem Objekte aus unserer Stadt. Wenn Sie mal in der Nähe sind, kommen Sie gerne vorbei. Ich hoffe, Sie finden einen guten Platz für Ihre Mangel. Herzliche Grüße aus Bremerhaven, Kerstin Ras-Dürschner