Durch die Mangel gedreht – Wäschegeschichten im Museum
,

Durch die Mangel gedreht – Wäschegeschichten im Museum

Seit März 2021 haben wir als Historisches Museum eine große Heißmangel in unserer Sammlung. Sie wird gerade im Foyer gereinigt und bietet somit die Möglichkeit, […]

Avatar-Foto
26. Apr. 2021
8 min Lesezeit
Heißmangel im Museumsfoyer

Seit März 2021 haben wir als Historisches Museum eine große Heißmangel in unserer Sammlung. Sie wird gerade im Foyer gereinigt und bietet somit die Möglichkeit, live zuzusehen, was mit einem technischen Gerät im Museum geschieht. Die Heißmangel passt hervorragend in unsere bereits bestehende Sammlung zum Thema Wäschepflege. Die Gelegenheit, sich zu fragen, wie das mit der „Großen Wäsche“ früher war…

Die Heißmangel in Lehe

Die Heißmangel war bis Herbst 2020 noch voll im Einsatz. Karin Lupo betrieb in der Eupener Straße 44 in Lehe eine Heißmangel in zweiter Generation. Ihre Mutter Lieselotte Scheidemann hatte das Geschäft 1953 von Familie Böttcher übernommen. Für viele Bremerhavener*innen war das Eckgebäude über Jahrzehnte die Adresse für glatte Tischdecken, Bettwäsche und Gardinen. In den 1950er und 1960er Jahren arbeiteten hier mehrere Angestellte, um die Wäscheberge zu bewältigen. Frau Scheidemann mangelte auch Wäsche von Schiffen, die zuvor von der Wäscherei Heschel in der Körnerstraße gewaschen worden war. Damit schafft die Heißmangel in unserer Sammlung auch eine Verbindung zur Hafenwirtschaft.

Heißmangel von Karin Lupo
In der Eupener Straße 44 war die Heißmangel über Jahrzehnte im Einsatz. An die eigentliche Mangel war ein externer Elektromotor (rechts) angeschlossen, der über einen Keilriemen die Mangel antrieb (Foto: Historisches Museum Bremerhaven).

Seit den 1970er Jahren ging die Nachfrage nach professionell geplätteter Wäsche jedoch zurück. Kunstfasern sorgten für nahezu knitterfreie Kleidung und Haushaltswäsche direkt aus der Waschmaschine. Die aktuelle Gasumstellung bedeutete schließlich vor einigen Monaten das Aus der Heißmangel, obwohl sie immer noch voll funktionsfähig ist. Und so kam die Mangel ins Museum.

Wie alt unsere Heißmangel genau ist, ist schwer zu sagen. Hergestellt wurde sie von der Firma Gebrüder Stute in Hannover im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Offen ist auch, womit sie ursprünglich angetrieben wurde. Der Elektromotor, der bis zuletzt genutzt wurde, stammt aus den 1960er Jahren.

Um zu mangeln, wärmte Karin Lupo die Maschine zunächst etwa eine Stunde vor. Während des Zweiten Weltkriegs mussten Kund*innen sogar ihre eigenen Briketts mitbringen, wenn nicht genügend Kohle vorhanden war. In den letzten Jahrzehnten sorgte Gas für die nötige Wärme. Der Elektromotor trieb mit einem Keilriemen die 2,10 Meter lange Walze aus Gusseisen an und brachte sie zum Rotieren. Die feuchte Wäsche wurde auf das Brett gelegt und durch das Gewicht der Walze geglättet. Moderne Heißmangeln benötigen diesen Riemen nicht, sondern haben einen integrierten Motor. Somit ist die Heißmangel mit ihrem externen Motor aus Lehe eine Besonderheit.

Waschtag: Große Wäsche als Schwerstarbeit

Bevor Wäsche gemangelt wird, muss sie allerdings gewaschen werden. Die sogenannte „Große Wäsche“ war die zeit- und kraftintensivste Hausarbeit überhaupt. Daher wurde über Jahrhunderte deutlich seltener gewaschen als heute. Zudem hatten die meisten Menschen nur wenige Kleidungsstücke, die in der Regel auch selbst gefertigt waren, und wechselten diese seltener. Noch in den 1950er Jahren erledigte die Hausfrau meist einmal pro Woche die Kleine Wäsche als Handwäsche und nur ein bis zweimal pro Monat die Große Wäsche.

Waschbrett und Zinkwanne
Zinkwannen wurden beim Waschen zum Transport und Einweichen der Wäsche genutzt. Auf dem Waschbrett wurde die Wäsche gerieben. Zapfen auf der Rückseite verhindern, dass das Waschbrett nicht vom Rand der Wanne abrutschen kann (Archiv Historisches Museum Bremerhaven).

Die Große Wäsche war auch nur mit der Unterstützung aller Frauen eines Haushalts möglich. Wer es sich leisten konnte, heuerte für ein paar Tage noch Waschfrauen an, die gegen Kost und Bezahlung arbeiteten. Große Wäsche hieß für alle Beteiligten mehrere Tage schwere körperliche Arbeit.

Die Wäscherinnen weichten die Schmutzwäsche zunächst längere Zeit ein und kochten sie danach mit Asche (später auch mit Seife). Da die Asche zwar den Schmutz löste, aber kleine Aschereste zurück blieben, musste die Wäsche weiterbehandelt werden. Dies erfolgte mit einer Bürste auf einem Brett oder durch Rubbeln auf dem Waschbrett. Anschließend wurde die Wäsche mit fließendem Wasser, zum Beispiel an einem Fluss, gespült, ausgewrungen und aufgehängt.

Holzpantinen
Die Holzpantinen aus den 1920er Jahren gehörten einer Wäscherin, die diese bei der Arbeit trug (Archiv Historisches Museum Bremerhaven)

Besonders schwer hatten es Frauen aus der Arbeiterschaft. Zum einen mussten sie die stark verschmutzte Arbeitskleidung der Männer waschen, zum anderen waren die Wohnverhältnisse meist so beengt, dass das Wäschewaschen, -trocknen und -bügeln in den kleinen Wohnungen äußerst schwierig war. Aus finanziellen Gründen fehlten auch Geräte, die die Wäschepflege vereinfachen hätten können.

Kein Wunder, dass die Große Wäsche nur in großen Abständen durchgeführt wurde. Soweit möglich wurde die Kleidung durch Schürzen und Kittel geschont. Im Winter wurde häufig nur die Kleine Wäsche erledigt.

Von der Hand- zur Maschinenwäsche

Im Hinblick auf die mühevolle Arbeit ist es nicht verwunderlich, dass es bereits Ende des 17. Jahrhunderts erste Versuche gab, den Waschprozess zu mechanisieren. Ziel war es, das mühevolle Drücken und Reiben durch die Hände zu ersetzen. Die ersten Erfolge waren jedoch bescheiden. Bei den frühen Hilfswaschmaschinen mussten die Hausfrauen die Wäsche erst in einem Kessel kochen und danach umladen. Mit Hilfe einer Kurbel wurde die Wäsche bewegt. Da diese Bottichwaschapparate aus Holz waren, konnte man diese auch nicht beheizen.

Holzbottichwaschmaschine
Diese Holzbottichwaschmaschine stammt aus der Zeit um 1930. Ein elektrisch betriebenes Drehkreuz auf dem Boden des Bottichs bewegte die in Seifenlauge liegende Wäsche, das benötigte Wasser wurde zuvor im Waschkessel erhitzt. Die Wäsche wurde mit einem Wringer entwässert, die Seifenlauge lief ab oder wurde abgepumpt. Dann füllte man den Bottich erneut mit Wasser und spülte die Wäsche zwei oder drei Mal kalt durch (Archiv Historisches Museum Bremerhaven).

Erste elektrische Bottichwaschmaschinen kamen um 1900 auf den Markt. Allerdings mussten die Wäsche und das Wasser vor dem Waschen und Spülen weiterhin umgefüllt und gewechselt werden. Einen Aufschwung gab es in den 1920er und 1930er Jahren. Voraussetzung für die weitere Verbreitung der neuen Waschmaschinen war die Elektrifizierung der Haushalte. Noch waren die ersten Maschinen so schwer, dass sie nur für den Keller geeignet waren. Zudem wurden die Küchen in den Wohnungen kleiner. In Mehrfamilienhäusern und Siedlungen wurden daher Waschhäuser oder -küchen gebaut. Hier konntenalle Frauen ihre Wäsche waschen und anschließend plätten. Und dabei auch eine Klönschnack halten.

Verschiedene Waschmittel
1907 brachte die Firma Henkel mit Persil das erste moderne Waschmittel auf den Markt. Der Name setzte sich aus dem Bleichmittel Natriumperborat und Silikat zusammen, das den gelösten Schmutz abtransportierte (Archiv Historisches Museum Bremerhaven)

Gewerbliche Wäschereien setzten bereits mit Beginn des 20. Jahrhunderts Trommelwaschmaschinen ein. Doch viele Hausfrauen hatten Angst, dass ihre Wäsche darin beschädigt werden würde und wuschen lieber weiterhin selbst. In den Haushalten zogen Trommelwaschmaschinen erst später ein.

Werbesprospekt der Firma Scharpf
Der Satz „Es ist gewiß der Wunsch-Traum jeder modernen Hausfrau, selbst im eigenen Haushalt elektrisch zu waschen und diesen Traum möchte Ihnen Scharpf-Fortschritt erfüllen“ auf der Rückseite des Werbeprospekts zeigt, dass eine Waschmaschine in der Zeit um 1950 für viele Hausfrauen noch nicht zum Alltag gehörte (Foto: Historisches Museum Bremerhaven)

Erst in den 1950er und 1960er Jahren schufen mehr Haushalte eine Waschmaschine an. Die neuen Waschvollautomaten bedeuteten eine wirkliche Erleichterung: Sie konnten Wäsche nicht nur waschen und spülen, sondern auch schleudern. Die Vollautomaten erledigten den größten Teil der Arbeit von alleine. Übrig blieben noch das Trocknen und Bügeln.

Parallel dazu stiegen die Ansprüche an Hygiene und Reinlichkeit im Haushalt. Die Anzahl der Kleidungsstücke im Schrank wuchs, Ober- und Unterbekleidung wurde häufiger gewechselt. Kleinere Waschvollautomaten waren nun auch etagentauglich.

Bügeln, Plätten, Mangeln – so wird saubere Wäsche glatt

Schöne Wäsche muss auch glatt sein. Dazu verwendeten Frauen schon im Mittelalter Glättsteine und Wäschepressen. Ab etwa 1500 kamen Bügeleisen zum Einsatz. Viele Haushalte besaßen auch Handmangeln. Diese bestanden aus einer hölzernen Rolle, über die das feuchte Wäschestück gelegt wurde. Anschließend bewegte man die Rolle mit starkem Druck über ein Holzbrett.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Walzenmangel erfunden, die nach dem gleichen Prinzip funktionierte wie die Mangel im Museum: Die Wäsche wurde mit Hilfe einer Kurbel zwischen zwei Walzen durchgelassen. Die ersten Heißmangeln kamen 1850 auf den Markt. Zunächst wurden diese mit Kohlen beheizt, später diente Gas als Wärmequelle. Nach dem Ersten Weltkrieg versah man sie häufig mit einem Elektromotor als Antrieb.

Dampfwäscherei Edelweiß
In der „Dampfwaschanstalt Edelweiß“ in der heutigen Hinrich-Schmalfeld-Straße plätteten Wäscherinnen in den 1950er Jahren Oberhemden mit dem Bügeleisen. Heißmangeln sind dafür nicht geeignet (Foto: Archiv Historisches Museum Bremerhaven).

Großzügig ausgestattete Haushalte hatten lange ihre eigene Mangel. Auch heute noch steht in manchem Waschkeller eine elektrische Bügelmaschine. Wer sich dies nicht leisten konnte, konnte seit den 1920ern auch stundenweise eine Mangel gegen Gebühr nutzen. Diesen Service boten Lebensmittelgeschäfte, Friseure und Drogerien. Oder man gab die Mangelwäsche in eine Wäscherei mit Mangel oder einen Heißmangelbetrieb und erhielt schrankfertige Wäsche gegen Gebühr – wie in der Eupener Straße 44.

Die Wäschemangel stand übrigens auch Patin für eine heute noch gebräuchliche Redewendung: Nimmt man jemanden in die Mangel, so setzt man die Person stark unter Druck, etwa bei einer Befragung oder einem Verhör – so wie ein Wäschestück beim Mangeln.

Wäschemangel im Foyer
Die Konservierung der Heißmangel erfolgt im Museumsfoyer. So können Spaziergänger*innen auch von außen einen Blick darauf werfen (Foto: Historisches Museum Bremerhaven).

Was passiert mit der Mangel im Museum?

Was passiert nun mit der Mangel im Museum? Die Mangel durchläuft den Prozess der Musealisierung – sie wird von einem Gebrauchsgerät zum Museumsobjekt, das unter besonderem Schutz steht. Die Restauratorinnen haben die Mangel und ihre Teile genau begutachtet und fotografiert, nach möglichen Schäden gesehen und alles schriftlich und fotografisch dokumentiert. Nun erfolgt die Reinigung der Holz- und Metallteile mit speziellen Mitteln. Zum Abschluss erhält die Heißmangel eine Schutzschicht aus mikrokristallinem Wachs, um den aktuellen Zustand für die Zukunft zu sichern.

Parallel dazu wird die Mangel inventarisiert. Alle wichtigen Informationen werden dabei gesammelt und in einer Datenbank erfasst, damit künftige Generationen verstehen, wie diese große Maschine funktionierte und welche Geschichte(n) sich dahinter verbergen.

Alle gezeigten Objekte befinden sich in der Sammlung des Historischen Museums Bremerhaven.
Fotos: Historisches Museum Bremerhaven

Avatar-Foto
Kerstin Ras-Dürschner

Mich interessieren die Geschichte(n) der Stadt und der Menschen, die hier leb(t)en. Als Exilfränkin schätze ich die frische Luft, das Wasser und den weiten Himmel.

Historikerin, Wiss. Referentin des Historischen Museums Bremerhaven

Bremerhaven im Blick

Mehr aus und über Bremerhaven und Umzu …

A mehr
Detail: Sebastian Dannenberg, "EASY" edition in der Kunsthalle Bremerhaven (c) Cecilia Uckert

4 min Lesezeit21. März 2019

„Art from the Block“ – Dannenberg in der Kunsthalle Bremerhaven

Der Künstler: Sebastian Dannenberg. Seine Ausstellung 2019 in Bremerhaven: „EASY as far as we can see“: minimalistische, architekturbezogene Kunst.

M mehr
Ein cremefarbener Kinderwagen aus den 1930er oder 1940er Jahren in einer Ausstellungsvitrine

7 min Lesezeit20. Juni 2022

„Maikäfer flieg“

Man spürt es sofort: Im Deutschen Auswandererhaus erwartet die Besucher:innen etwas Besonderes. Die Räume des Museums sind in eine atmosphärische Dunkelheit getaucht, aber die Ausstellungsobjekte […]

M mehr
Moin in Bremerhaven

6 min Lesezeit6. Feb. 2020

„Moin“ sagt man in Bremerhaven

Moin! Ihr wollt zu uns an die Küste in den hohen Norden kommen, habt aber Sorgen wegen der Sprachbarriere, Sitten und Gebräuche? Heute bekommt Ihr einen Schnellkurs

N mehr
Titelbild Blogbeitrag "neue Normalität" im Zoo am Meer

7 min Lesezeit1. Juni 2020

„Neue Normalität“ im Zoo am Meer

Eine neue Normalität herrscht seit dem 8. Mai bei uns im Zoo. Nach über siebenwöchiger Schließung haben wir alle die Eröffnung herbeigesehnt. Ein Stück Normalität […]