Bis zum 24. November 2019 zeigen wir im Historischen Museum Bremerhaven unsere große Sonderausstellung. In diesem Sommer geht es zurück in „Die 1980er Jahre – Krisen, Protest und Punk“. Etwa 300 Fotografien verschiedener Fotografen, unter ihnen Johannes Fleck und Wolfhard Scheer, erinnern an eine Zeit wirtschaftlicher Krisen, aber auch an Demonstrationen, Jugendkultur, Sport und Großveranstaltungen. Ergänzt werden die Fotos durch dreidimensionale Objekte, wie etwa Computer, Kleidung, Kameras und Spielzeug.
Bremerhaven in der Krise
Für Bremerhaven waren die 1980er Jahre alles andere als leicht. Die Stadt wurde von schweren Wirtschaftskrisen erfasst. Dies spürten in erster Linie die Werften, denen eine internationale Stahlkrise und zunehmende Konkurrenz aus Niedriglohnländern zu schaffen machten. So schloss etwa die traditionsreiche Rickmers Werft für immer ihre Tore. Fast 1000 Menschen verloren dadurch ihren Arbeitsplatz. Die Hochseefischerei wurde durch die Einführung von nationalen Fanggründen und europäischen Fangquoten stark beeinträchtigt. Vielleicht erinnert sich jemand auch noch an die „Nematoden-Krise“. Ein Fernsehbericht über Fadenwürmer im Fisch führte innerhalb kurzer Zeit zu einem Absatzrückgang von 60 Prozent. Immerhin ging es in den Überseehäfen aufwärts: Immer mehr Container und Autos wurden jetzt über Bremerhaven umgeschlagen.
Protestaktionen
Wirtschaftskrisen und damit verbundene Arbeitslosigkeit, aber auch Umweltprobleme wie das Waldsterben und die atomare Aufrüstung sorgten in den 1980er Jahren für ein hohes Protestpotential. Wie die Fotografien in der Ausstellung zeigen, wurde in Bremerhaven gegen vieles demonstriert: gegen die drohende Schließung der Rickmers Werft, gegen die Abschaffung der Straßenbahn, für den Frieden, gegen den Parteitag der Republikaner, gegen die Fischereipolitik der Europäischen Gemeinschaft … und noch gegen mehr. Die größte Protestaktion in Bremerhaven war allerdings die Hafenblockade im Herbst 1983. Bis zu 30.000 Menschen aus der gesamten Bundesrepublik demonstrierten hier in der Stadt mit dem wichtigsten Nachschubhafen der US-Armee gegen die Stationierung von Atomwaffen. Am Zolltor „Rotersand“ fand etwa eine dreitägige Sitzblockade statt. Protestmärsche, Konzerte und eine zentrale Kundgebung auf dem Wilhelm-Kaisen-Platz verliefen weitgehend friedlich.
Punk, Pop und mehr
Auch in Bremerhaven gab es in den 1980er Jahren Punks, die mit auffallenden Frisuren und Kleidung das sog. „Establishment“ provozierten. Beliebter Treffpunkt waren die Treppen vor der Großen Kirche, wo immer wieder zurückgelassene Flaschen für Unmut sorgten.
Neben der Punkmusik gab es noch viele andere Musikrichtungen, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Eine Auswahl an Schallplatten erinnert an Madonna und Michael Jackson, denen in dieser Zeit der große Durchbruch in der Popmusik gelang. Aber auch „Modern Talking“ und Musiker/-innen der Neuen Deutschen Welle, wie Peter Schilling, Nena, Stephan Remmler und Fräulein Menke sind vertreten. Für gesellschaftskritische Töne sorgten dagegen Franz Josef Degenhardt und die Band „Bots“.
Der neu entwickelte Walkman verschaffte nun vor allem jungen Menschen völlig neue Dimensionen des Musikkonsums: Egal ob im Bus, beim Joggen oder Einkaufen – überall konnte man nun ganz bequem die persönliche Lieblingsmusik hören – ohne andere zu stören. Wer es sich leisten konnte, stieg allerdings auf Compact Discs (CD) um, die praktisch in der Handhabung waren und bessere Musikqualität versprachen. Der allererste CD-Player von Philips ist in der Ausstellung zu sehen. Das Modell CD-100 war 5 kg schwer und kostete stolze 2000 DM!
Musikfans kamen in Bremerhaven regelmäßig auf ihre Kosten: Die Stars der Zeit wie Nena, Die Ärzte, Peter Maffay, Spliff und die Spider Murphy Gang sorgten bei ihren Konzerten für begeisterte Zuhörer/-innen in der Stadthalle und in der „Schleuse“.
Natürlich ist in der Sonderausstellung auch die passende Musik zu hören: An einer Musikstation stehen zehn verschiedene Titel zur Verfügung – „Da da da“, „99 Luftballons“, „Brothers in Arms“ und „Thriller“ inklusive. Für noch mehr 1980er Jahre-Feeling sorgt übrigens ein Spiele-Computer. Jeden Monat kann mit dem Joystick ein anderes Spiel gespielt werden, wie etwa „Dig Dug“ und „Outrun“.
Ein buntes Jahrzehnt
Die 1980er Jahre waren bunt und schrill. Da es sich bei den ausgestellten Fotografien jedoch meistens um Pressefotos handelt, die in den 1980er Jahren noch schwarz-weiß waren, stechen die dreidimensionalen Objekte besonders hervor. So etwa das Service „Flash One“, das die Designerin Dorothy Haffner für Rosenthal entwarf. Mit seiner avantgardistischen Form und dem bunten Dekor mit geometrischen Formen ist es ein echter Hingucker. Auch das Telefon mit bunten Tasten ist typisch für das Design der Zeit. Beim ausgestellten Modell mit Display konnte man sogar Nummern speichern!
Der Nylon-Trainingsanzug und die Sneakers erinnern schließlich daran, dass Sportkleidung nun ihren festen Platz im Alltag jenseits der Turnhalle hatte. Auch eine Karottenjeans darf in der Ausstellung nicht fehlen. Passend dazu wird noch eine kurze rote Lederjacke gezeigt.
Begleitprogramm
Wer nicht alleine durch die Ausstellung gehen möchte, sollte sich unbedingt das umfangreiche Begleitprogramm genauer ansehen. Wir bieten ExtraTouren in verschiedenen Versionen an: allgemeine Führungen durch die gesamte Sonderausstellungen, als ExtraTourSpezial mit bekannten Zeitzeugen und zu besonderen Themen oder als ExtraTourPlus mit anschließendem Erzählcafé.
Außerdem zeigen wir in Kooperation mit Radio Bremen in unserem Museumskino Kurzfilme über die maritime Wirtschaft, Stadtentwicklung und Infrastruktur sowie Protestaktionen.
Fazit
Die Sonderausstellung ist – wie auch die im Vorjahr zu den 1970er Jahren – sehr umfangreich. Für viele Themen und Geschichten, die präsentiert werden, ist in diesem Beitrag allerdings nicht genügend Platz. Am besten kommt jede/-r selbst vorbei und schaut sich die Ausstellung in Ruhe an. Bei mir kamen viele Erinnerungen hoch – etwa an „Wetten, dass..?“, unseren ersten Computer mit externem Diskettenlaufwerk, an die Angst vor dem „sauren Regen“ und AIDS, die Dauerwellen-Fönfrisur und moon-washed Karottenjeans.
Übrigens ist gerade das Begleitbuch mit informativen Texten und allen Fotografien aus der Sonderausstellung erschienen – zum Selberschmökern oder Verschenken bestens geeignet!
Historisches Museum Bremerhaven, An der Geeste, 27570 Bremerhaven
29.06.-24.11.2019, Di-So 10-18 Uhr
Der Eintritt ist frei
Termine für öffentliche ExtraTouren unter www.historisches-museum-bremerhaven.de/veranstaltungen
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