Eine Schifffahrt ist immer wieder schön! Ich bin jedenfalls immer begeistert, an Bord eines Rundfahrtschiffs oder Barkasse durch die Häfen und auf der Weser zu schippern. Jede Tour ist anders und stets gibt es etwas Neues zu entdecken. Die heutige „Dicke Pötte“-Tour mit Ulrich Keller, genannt Uli, an Bord der „Geestemünde“ hält allerdings eine außergewöhnliche Überraschung parat – einen singenden Seemann.

Auf zur „Dicke Pötte“-Tour
Im Neuen Hafen heißt uns die Crew der „Geestemünde“ herzlich willkommen an Bord. Uli befindet sich bereits auf dem Oberdeck. Es erfolgt eine kurze Einweisung in die Sicherheitsvorkehrungen. Den Landratten unter uns erklärt er, dass die Tonnen (Seezeichen) an Steuerbordseite grün und an Backbordseite rot sind. Damit wir uns das besser merken können, trägt Uli rechts eine grüne Socke und links eine rote. Aber jetzt endlich „Leinen los“. Ablegen zur „Dicke Pötte“-Tour. Wir fahren in die Schleuse Neuer Hafen. Links und rechts säumen neugierige Passanten die Kajen. Verständlich, denn hier kann in aller Ruhe beobachtet werden, wie so eine Schleusung von statten geht.

Bremerhaven – seine Liebe
Uli liebt seine (meine) Stadt mit Leib und Seele. Wenn er über Bremerhaven, seine Bewohner, Schiffe und Meer spricht, leuchten seine blauen Augen. Der „Sabbelbüdel“, wie auf seiner Schirmmütze steht, stellt sich uns kurz vor. 1967 ist Uli zuerst als Deckshilfe, später als Matrose zur See gefahren. Es folgten acht Jahre Bundesmarine. Dann drückte er die Schulbank und absolvierte ein Nautikstudium. Bis zu seiner Pensionierung fuhr er 29 Jahre lang als Kommandant auf einem Polizeiboot.
„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“
Diese Textzeile aus einem Lied von Udo Jürgens ist Uli wie auf den Leib geschrieben. Ruhestand scheint für ihn ein Fremdwort zu sein. Ich kenne Uli aus der Nachbarschaft. Wir begegnen uns oft in der Alten Bürger. Hier ist er stadtbekannt. Und überall ist er ein gern gesehener Gast. Stets für einen Plausch zu haben und bestens über das Geschehen in Bremerhaven informiert. Er setzt sich aktiv für seinen Stadtteil ein.
Ein kreativer Mensch mit vielen Talenten
Eines seiner spät entdeckten Talente ist das Urban Sketching. Dabei zeichnen die Künstler Momentaufnahmen einer Szene oder einer Stadt. Seine Werke hat Uli vergangenes Jahr sogar in einer Galeriegemeinschaft ausgestellt und verkauft. Aber seine ganz große Leidenschaft ist die Musik. Immer wieder gibt er Auftritte in der Alten Bürger und umzu. Als das Pflegeheim in unserer Nachbarschaft coronabedingt keinen Besuch empfangen durfte, hat er sich kurzerhand mit seiner Anlage auf der Rasenfläche davor postiert und den Bewohnern ein Ständchen gebracht. Eine tolle Aktion!

Dicke Pötte so weit das Auge reicht
Wir verlassen die Schleuse und fahren gen Norden auf die Weser hinaus. Immer in Bewegung, blickt Uli voraus, zurück, nach Backbord und Steuerbord. Nichts will er verpassen. Er überschlägt sich fast mit seinen Erklärungen über das, was wir dort alles zu sehen bekommen. Ein Paddelboot vor der Schlepperpier. Die Schlepper vor der Skyline Bremerhavens. Der Freilaufkanal, mit dem der Wasserstand im Hafen geregelt werden kann. Der Pingelturm, dessen Glocke bei Neben viermal schnell aufeinander schlägt. Die Kaiserschleuse mit dem Autotransporter darin. Gefolgt von Europas längster Stromkaje. Und und und…

Der singende Guide
Wir erreichen das Kreuzfahrt-Terminal. Uli macht uns darauf aufmerksam, dass hier am 1. Oktober 1958 der King of Rock’n’Roll, Elvis Presley, deutschen Boden betrat. Einen besseren Auftakt gibt es nicht. Uli lässt die Melodie „Muss i denn zum Städtele hinaus“ erklingen. Und schon schmettert er die ersten Textzeilen dahin und ermuntert uns zum Schunkeln. Passender geht’s nicht! Die Stimmung an Bord war schon vorher gut, aber jetzt haben alle ein Lächeln auf dem Gesicht!
Bezahlbare Kunst
Am Ende der Stromkaje drehen wir um. In der Ferne sehen wir einen Seehund auf einer Sandbank liegen. Faul, wie er ist, wartet er darauf, dass das auflaufende Hochwasser ihn irgendwann sanft auftreiben lässt. Geduldig wartet er ab. Nur nicht zu früh in Aktionismus verfallen. Jetzt ist Zeit zum Postkartenverkauf. Uli hat zwei seiner Urban Sketching-Motive als Postkarten produzieren lassen. Eine mit MS „Geestemünde“ und eine mit dem Semaphor. Die werden hier an Bord für einen Euro je Karte verkauft. Den Erlös spendet er in voller Höhe an die DGzRS. Das Ganze dokumentiert er jeweils auf seiner Facebook-Seite.

Er singt sich in die Herzen der Gäste
Ich sehe mich an Deck um und erblicke nur zufriedene Gesichter. Verständlich, die Sonne scheint, es gibt ausreichend Platz. Uli ist ein wandelndes Lexikon im Bereich der Seefahrt und der Stadt Bremerhaven. Und dann wird die „Dicke Pötte“-Tour auch noch mit dem einen oder anderen Song aufgepeppt. Das kommt gut an. So gut, dass zwei Gäste eine Karte bei ihm kauften. Diese schickten sie ihm später mit einem Dank für die tolle Tour. Da ist selbst Uli sehr gerührt.

Farewell Uli und „Dicke Pötte“-Tour
Nach zwei Stunden erreichen wir wieder unseren Liegeplatz im Neuen Hafen. Die Crew, bestehend aus Schiffsführer, stellvertretendem Leiter Fährbüro, Guide, Maschinist und Bistrofachkraft verabschiedet uns herzlich. Das war eine tolle Tour! Wenn Ihr nun auch einmal Lust bekommen habt, mitzufahren, könnt Ihr hier Euer Ticket buchen.
