Ein Gebäude mit jeder Menge Geschichte(n) – der Columbusbahnhof. Klar – das Sail City. Und sicher auch das Klimahaus. Und natürlich das Schifffahrtsmuseum und das Auswandererhaus. Ansonsten kannte ich nicht allzu viel architektonisch auffällige oder ansprechende Gebäude in Bremerhaven, als ich vor gut einem Jahr jobbedingt eine deutlich engere Bindung zur Seestadt eingegangen bin. Vorher dürfte ich ziemlich genau dem „Durchschnittsbremer“ entsprochen haben: Ein-, zweimal im Jahr ging es für einen Tagesausflug in die Nachbarstadt Bremerhaven, um zum Beispiel mit den Kindern in den Zoo oder ins Klimahaus zu gehen.
Besondere Architektur
Naja – zurück zur besonderen Architektur in Bremerhaven. Klar. Ist natürlich Geschmacksache. Aber besonders ein Gebäude hat – zumindest bei mir – dem Sail City und den übrigen architektonischen Highlights der Stadt, umgehend den Rang abgelaufen. Und das trotz seiner nicht unbedingt sinnlichen Bezeichnung: „Mittelbau“ oder wahlweise „Fahrgastanlage II“ klingt, wenn man ehrlich ist, jetzt nicht nach etwas besonderem. Aber genau das ist dieser Teil des Columbusbahnhofs: Etwas sehr Besonderes. Und ein Gebäude, das mich schon bei meinem ersten berufsbedingten Besuch dort schlicht umgehauen hat.
Der Mittelbau des Columbusbahnhofs
Damals, vor gut einem Jahr, hatte ich gerade erst als Pressesprecher bei bremenports angefangen. Gleich zu Beginn hatte ich einen öffentlichkeitswirksamen Termin zu organisieren: Eine Pressekonferenz im „Mittelbau“. Dort sollte verkündet werden, was viele Bremerhavenerinnen und Bremerhavener heimlich hofften. Entgegen der bisherigen Annahme hatte die Architektengruppe GMP im Auftrag von bremenports einen Entwurf erarbeitet, der für den Columbusbahnhof eine ganz andere Zukunft vorsah. Schien bis dahin der „Rückbau“ des Gebäudes ausgemachte Sache, sah die Welt plötzlich ganz anders aus. Heute gilt ein Abriss gerade auch wegen der „Grauen Energie“ die in dem Bau steckt sowohl in Sachen Klimaschutz als auch wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll. Statt das Gebäude abzureißen soll es nunmehr erhalten und revitalisiert werden.
„Guckst Du dir den Kasten doch mal lieber vorher an, bevor Du da zur Pressekonferenz einlädst“, habe ich als Neuling damals gedacht, mir vom zuständigen bremenports-Mitarbeiter den Schlüssel organisiert – und los ging ein besonderer, nostalgischer Ausflug in die 60er/70er Jahre.
Zeitreise über die „Harald-Juhnke-Treppe“
Kann man sich in ein Gebäude „blitzverlieben“? Ich jedenfalls war schon umgehauen, als ich den Schlüssel erstmals umgedreht hatte und im Foyer des alten Fahrgastterminals stand. Links von mir die „Harald-Juhnke-Gedächtnistreppe“. Den Spitznamen trägt sie, weil das Bauwerk an eine der Showtreppen aus den großen Shows der 70er Jahre erinnert. Rechts davon der im Halbkreis in das Gebäude eingelassene Raum, in dem früher eine Restaurant untergebracht war. Oben drüber ein Relief, das an Hieroglyphen erinnert. Heute wirkt es wie vieles aus den 60er und 70er Jahren heute irgendwie gleichzeitig futuristisch und „längst vergangen“.
Columbusbahnhof, das Kreuzfahrtterminal
„Wow – hier hat Bremen buchstäblich geklotzt“, denkt man umgehend, wenn man durch die riesigen Wartesäle und Abfertigungshallen schlendert.
Zu dumm, dass quasi begleitend zur Fertigstellung des riesigen Gebäudes im Jahr 1962 das Flugzeug seinen Siegeszug längst angetreten hatte. Das Kreuzfahrtterminal an der Weser, das mit seinen Ausmaßen wohl Millionen Reiselustige hätte bewältigen können, war daher schon bei seiner Eröffnung völlig überdimensioniert.
Ein bisschen so, als ob seine große Zeit stehen geblieben wäre oder erst noch kommen wird, sieht es heute in dem Gebäude aus. Es lässt sich noch spüren, dass hier Großes geplant und Großes passiert ist und, dass hier viele Schicksale ihren Lauf nahmen. Wie mögen sich beispielsweise die Menschen gefühlt haben, die hier ihrem alten Leben und ihrem Heimatland als Auswanderer den Rücken kehrten? Wie deren Angehörige? Und wie die GI’s die aus der Gegenrichtung kommend als oft sehr junge Menschen erstmals das ehemalige „Feindesland“ betreten haben?
Abschied und Partys Hand in Hand
Genutzt wurde der Ort allerdings auch ganz anders. Und gerade auch dadurch hat sich der Mittelbau fest in die Erinnerung der älteren Bremerhavenerinnen und Bremerhavener eingegraben: Hier wurden nicht nur Passagiere abgefertigt. Hier ging es am Wochenende mit der Familie fein zum Essen. Mit Blick auf die Weser und die Schiffe, die auf dem Strom vorbeituckerten. Und außerdem ließen es die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener ordentlich krachen in „ihrem“ Columbusbahnhof. Der gehört zwar eigentlich zu Bremen, wurde aber quasi von der Seestadt adoptier. In den großen Hallen wurden über Jahrzehnte Feste, Partys, Karneval und Bälle gefeiert. Mal sehr gesittet, mal auch eher wild, wie berichtet wird. Auf jeden Fall dürften hier einige Ehen gestiftet und spätere Familien gegründet worden sein. Wäre mal interessant zu wissen, wie viele Kinder auf den Mittelbau zurückgehen.
Der Columbusbahnhof muss bleiben
Dass das Gebäude, seine Geschichte und Geschichten – nun nicht der Abrissbirne zum Opfer fallen, ist allemal eine gute Botschaft. Denn wer die Atmosphäre des Gebäudes gespürt hat, weiß: Die Stadt und der Hafen brauchen diesen beeindruckenden Ort.
Und davon können sich Interessierte jetzt übrigens noch einmal selbst überzeugen. Denn bevor die Zukunft des Gebäudes – und hoffentlich möglichst bald dessen Revitalisierung – startet, wird die Künstlergruppe „Das Letzte Kleinod“, die die Planungen in den vergangenen vier Jahren im Auftrag von bremenports künstlerisch begleitet hat, sozusagen zum Finale laden.
Open Ship und Farwell im Columbusbahnhof
Vom 21. bis 24. November 2024 haben Interessierte täglich von 14 bis 18 Uhr die vorerst letzte Möglichkeit, das Gebäude zu besuchen. Während dieser „Open Ship“-Nachmittage können die Besucherinnen und Besucher den spektakulären Ort auf eigene Faust entdecken und hier und da den Schauspielenden des Theaters „Das Letzte Kleinod“ begegnen, die Szenen aus den vergangenen Vorstellungen spielen.
Außerdem soll an zwei Abenden – nämlich am 22. Und 23. November 2024 jeweils ab 19 Uhr „Farewell-Partys“ gefeiert werden. Die zwei rauschenden Abende sollen noch einmal frühere Bälle und Tanzveranstaltungen im Mittelbau erinnern.
Weitere Informationen und Tickets für die Open Ship-Nachmittage und die beiden Farewell-Abende gibt es auf der Seite www.das-letzte-kleinod.de/programm.
Ein Buch zur Erinnerung
Und für alle, die eine langfristige Erinnerung an den Mittelbau haben wollen, die man auch auf dem eigenen Sofa zur Hand nehmen kann, hat bremenports ein besonderes Buch herausgebracht. Gemeinsam mit dem Fotografen Stefan Klink und dem langjährigen Nordsee-Zeitung-Redakteur Rainer Donsbach in Zusammenarbeit mit dem Schünemann Verlag ein besonderes Buch auf den Markt gebracht:
„Mythos Columbusbahnhof – Sehnsuchtsort und Architekturmaschine“ heißt der Bildband, der einerseits mit beeindruckenden Fotos und Details die der Architekturfotograf Stefan Klink in dem (noch) leerstehenden Gebäude eingefangen hat und andererseits aus historischen Fotos und Texten von Rainer Donsbach, die an die Geschichte(n) des Columbusbahnofs erinnern.
Zu haben ist die Neuerscheinung entweder bei den Veranstaltungen vor Ort im Columbusbahnhof, im Buchhandel oder auch online direkt beim Schünemann-Verlag (www.schuenemann-buchverlag.de/bucher/mythos-columbusbahnhof.html).
Text: Gastautor Matthias Koch, bremenports GmbH & Co. KG
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