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„Das Beet“ – Leben auf dem Zolli

Der Zollinlandplatz in Lehe hat ein neues Beet bekommen. Das allein wäre vielleicht nicht unbedingt einen Blogbeitrag wert, aber in diesem Beet wachsen Ideen, Projekte […]

Portrait Frau aus dem Kulturamt
8. Juni 2020
7 min Lesezeit
Moritz Alber steht mit einem Strohhut und einem orangen T-Shirt inmitten gut bewachsener Beete.

Der Zollinlandplatz in Lehe hat ein neues Beet bekommen. Das allein wäre vielleicht nicht unbedingt einen Blogbeitrag wert, aber in diesem Beet wachsen Ideen, Projekte und zukünftig: mein Feierabendplatz. Moritz Alber hat mit „Das Beet“ ein tolles Projekt auf Bremerhavens wilder Wiese gestartet und wenn Ihr mehr wissen wollt, lest gerne weiter:

Bremerhavens wilde Wiese

Mein altes Rad klappert über die Pflastersteine von Lehes Straßen. Quer durchs Goethequartier holpere ich und entscheide mich dann doch dafür, lieber den Rest des Weges auf dem Gehweg zu fahren. Kein Kopfsteinpflaster mehr, dafür muss ich schnell dem freundlich grinsenden Müllmann ausweichen.

Noch einmal rechts und dann ein Stück geradeaus. Da ist das Tor und dahinter liegt er, der Zollinlandplatz. Zwischen 7 und 22 Uhr ist der umfriedete Platz in den Sommermonaten jeden Tag geöffnet. Ein Wegkreuz liegt unbeeindruckt mitten im hohen Gras, Insekten brummen und summen, Hunde laufen, Menschen sitzen oder schlendern – es ist friedlich.

Blick zwischen die Hochbeete und das hohe Gras. Zwei Gießkannen liegen im Gras. Im Hintergrund ist die urbane Kulisse Bremerhavens zu sehen.
Auf Bremerhavens wilder Wiese gehts ab ins Beet (c) M. Alber

Den Zollinlandplatz – kurz Zolli – erwartet man bei einem Spaziergang durch Lehe eigentlich nicht und er ist so lange versteckt, bis man direkt draufsteht. Aber gerade darum ist es um so schöner, dass es ihn – noch – gibt.

Lehes Fußballherz

Im Februar erst habe ich vom Rockcenter erzählt und nun stehe ich also nur einen Katzensprung vom Rockcenter an der Moltkestraße auf dem Zollinlandplatz mitten in Lehe, der ursprünglich genauso ein Teil des ehemaligen Güterbahnhofes war.

Bis 1923 gehörte er zum Güterbahnhof und wurde dann lange als Sportplatz – als Lehes Fußballherz – genutzt. Aber mit dem Bau des Nordsee-Stadions war er überflüssig. Durch die Gründung der Zolli-Initiative ist er nun seit 2015 ein Platz für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Aber „Platz“ ist eigentlich das falsche Wort. Es ist ein Garten, eine wilde Wiese, eine kleine Stadtoase, wie die Homepage des frisch gebackenen Vereines sagt.

Ein Stadtgarten

Hier soll die Natur gedeihen – fast – wie sie will. Nur zweimal im Jahr wird gemäht. Das Wachsen, Sprießen und Blühen wird eher sanft gelenkt als fest geplant. Es werden heimische, aber selten gewordene Pflanzen angesiedelt. Es wächst ein buntes Biotop. Wer anpacken möchte, ist gern gesehen und willkommen in der Zolli-Initiative. Hier geht’s zum Mitgliedsantrag.

Bremerhaven, Helsinki und zurück

Einer, der jetzt gerade Mitglied bei der Zolli-Initiative geworden ist, ist Moritz Alber.

Ich treffe ihn direkt auf dem Zolli, er trägt eine Wasserkiste – später kommen die anderen, für heute ist noch einiges geplant. Kaffee gibt’s noch nicht, entschuldigt er sich – aber bald.

Als Student kommt er aus Baden-Württemberg nach Bremerhaven und wächst hinein in das Studierendenkollektiv One Three Three (133) in der Alten Bürger. „Das war super“, sagt er „Hier kann man viel machen. Bremerhaven hat kurze Wege zu den richtigen Stellen und verbindet die Vertrautheit eines Dorfes mit der Infrastruktur einer Stadt.“ Für Moritz ein Alleinstellungsmerkmal Bremerhavens und ein wichtiger Grund, zurückzukommen.

Eine Person misst mit einem Maßband eine Gehwegplatte aus.
Es gibt viel zu tun. (c) M. Alber

Denn mit dem Abschluss für maritime Technologien und einem Jobangebot in der Tasche hatte er sich vor einigen Jahren auf den Weg nach Helsinki gemacht. Doch der feste Job in Finnlands Hauptstadt und der Norden der Welt sind auf Dauer zu einsam. „Ich brauche Menschen, und die sind hier“ – Moritz grinst: „Ich mach zwar grad fast mehr Büroarbeit als vorher, aber dieses Projekt verbindet so viele meiner Interessen gleichzeitig. Essen, Menschen, Kultur – der Zolli ist nen toller Ort und hier kann man echt viel starten.“

Perspektivisch soll „Das Beet“ auf dem Zolli als erstes ein „zero-waste-pop-up-Kioskcafé “ bekommen. Aber auch Workshops zum Thema Nachhaltigkeit und (Stadt-)gärtnern, sowie Musik- und Kulturveranstaltungen sind geplant.

Ein Beet für Alle

Während wir auf alten Holzstämmen im wilden Gras sitzen, streunen zwei Jungs über den Platz und erkunden neugierig den Stand der neuen Dinge. „Die kenne ich schon“, sagt Moritz „die haben letztens direkt erstmal im Hochbeet gebuddelt“. Aktuell kommen vor allem Anwohnerinnen und Anwohner vorbei. Er erzählt mir, dass seine Idee und sein Projekt viel Begeisterung und Wohlwollen auslöst. Die Menschen sind neugierig und freuen sich augenscheinlich, dass auf dem Zolli was passiert.

Eigentlich erlebt Moritz durchweg sogar strahlende Begeisterung für die Idee und das Konzept. Die Menschen freuen sich auf den neuen Ort. Nach den ersten Presseartikeln kommen nun auch immer wieder Neugierige, die extra für das Projekt den Zolli besuchen.

Ein dunkelroter Container mit einem breiten Fenster steht auf einer Holzkonstruktions auf einem Platz mit Mulch. Davor arbeiten zwei Personen.
Der Container steht! (c) M.Alber

Container on the fly

Seit einem Tag ist das Herzstück von dem „Beet“ da. Der große rote Container soll das Zuhause des Zolli-Kiosks werden. Hellgrau und rostig war das Ding bis vor Kurzem. Jetzt ist es rot und es hat eine Luke. „Die haben wir selbst gemacht“ erzählt Moritz. Über einen Kontakt bei der Zolli-Initiative hat er den Container bei CHT Natelberg in Beverstedt bekommen. Außerdem hat die Firma ihm Gelände und Werkzeug bereitgestellt, um die Luke für den Verkauf zu sägen. „Das war ein tolles Angebot“ erzählt er: „die Möglichkeiten dort waren natürlich super!“

Ganz dankbar ist er über die Unterstützung, die er für seine Idee und sein Projekt an vielen Stellen erfährt. Auch die alten Studentenfreunde aus der Alten Bürger 133 sind aktiviert und packen mit an.

Das Naturerlebnismobil vom Kulturbüro Bremerhaven ist ein alter Bekannter auf dem Zolli. Jedes Jahr steht der alte Zirkuswagen mit Oberlicht im Sommer mehrere Wochen auf dem Platz und ist Dreh- und Angelpunkt für Kinderferienaktionen und Workshops im Zusammenhang mit Natur und Nachhaltigkeit.

Jetzt hat es ein neues Gewand bekommen und präsentiert sich mit frischem weißem Anstrich und blauen Akzenten. So rausgeputzt ist es für den ganzen Sommer an Moritz Alber verliehen. Der alte Oberlicht-Zirkuswagen wird ab dem 13./14. Juni 2020 als Kiosk dienen bis der Container fertig ist und den Kioskjob übernehmen kann.

Fairplay

Ich schau mich um und denke, dass es hier auch jetzt ein bisschen nach Zirkus aussieht. Container, der Bauwagen der Zolli-Initiative und das Naturerlebnismobil stehen im Halbkreis, in der Mitte liegt Häckselholz auf dem Boden. Es gibt Hochbeete, die gleichzeitig Trennwände sind. Alte Fenster vermitteln Wohnlichkeit mitten auf der Wiese. Die Hochbeete sind aus recycelten Materialen gebaut. Nachhaltigkeit und Regionalität sind Moritz Alber bei dem ganzen Konzept wichtig. „Ein solcher Ort braucht nachhaltige Ideen. Sonst passt das auch gar nicht zu dem, was die Zolli-Initiative hier macht.“

Der Container ist gebraucht, das Naturerlebnismobil geliehen. Getränke gibt’s in Mehrweggeschirr und Coffee to go im Mehrwegbecher von ReCup oder wenn Du einfach deinen eigenen Becher mitbringst.

Block durch eine FEnsterscheibe auf ein Beet. Das Fenster ist offensichtlich alt. Es hat einen Hebelgriff und kleine Window-Color-Bilder.
Nachhaltigkeit steht ganz oben – ein Blick ins Beet durch alte Scheiben. (c) M. Alber

Die Zolli-Kräuter oder der Salat aus dem Hochbeet werden direkt an Ort und Stelle weiterverwendet. „Oder du bestellst Dir einen Tee und bekommst von mir eine Tasse heißes Wasser und den Schlüssel fürs Kräuterbeet. Dann kannst Du Dir direkt deinen Tee in die Tasse pflücken.“

Moritz plant 80 % des Produktvolumens, das im Kiosk Verwendung findet, in einem Radius von 200 km einzukaufen. Die Regionalität ist natürlich nicht in jedem Fall möglich, aber er versucht, in Abstimmung mit Qualität und Preis kurze Lieferketten zu etablieren.

Lasst es wachsen!

Generell hat Moritz selber viele Ideen für „Das Beet“, aber auch immer mehr andere Menschen sind inspiriert und wollen mitmachen. Die Gastronomie wird Moritz‘ Herzstück bleiben. „Ich freu mich, wenn Menschen sich beteiligen wollen – es sollen Workshopangebote und Kulturveranstaltungen stattfinden. Musik, Essen und Gemeinschaft – ist doch ’n super Leben!“

Es soll Picknickdecken zum Ausleihen geben und natürlich noch viel mehr Sitzmöglichkeiten. Vielleicht gibt’s irgendwann sogar eine Freiluftsauna – eine Idee aus Finnland, die Moritz auch Bremerhaven zutraut. Der Zolli als Lebensraum – nicht nur für Bienen und Pflanzen aller Art, sondern auch für Sonnenanbeter, Kaffeefreund*innen, Leseratten, Spielmäuse und Blumenkinder.

Crowdfunding im Beet

Natürlich hat Corona auch Moritz einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Damit es nun – auch in diesen sonderbaren Zeiten – weitergehen kann, startet am 16. Juni eine Crowdfunding-Kampagne. Der Container braucht einen Innenausbau, es fehlt die Technik für Veranstaltungen und es ist eine gute Möglichkeit ein kleines, innovatives Projekt in Bremerhaven zu unterstützen.

Den Link zur Kampagne findet ihr hier oder überall, wo es Crowdfundinglinks gibt. Natürlich könnt ihr Moritz und sein Projekt auch durch fleißiges Kaffeetrinken direkt vor Ort unterstützen:

Das Beet öffnet voraussichtlich ab Juli seine Luke und hat für Euch von Mittwoch-Freitag von 16:00 – 21:45 Uhr, Samstag und Sonntag von 12:00 – 21:45 Uhr geöffnet. Während des Umbaus gibt es keine klaren Öffnungszeiten, aber es wird fast täglich gewerkelt. Aus den Fenstern des Naturerlebnismobils wird es aber schon ab dem kommenden Wochenende heißen Kaffee, Bettina’s Butterkuchen, kühle Limos und Bier geben.

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Portrait Frau aus dem Kulturamt
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Kulturamt Bremerhaven Ursprünglich dem Ruhrgebiet entwachsen, bin ich schon einige Zeit unter dem weiten, norddeutschen Himmel zuhause – aber nun ganz frisch: Bremerhaven! Begleitet mich auf neuen Wegen – immer im Gepäck: Neugier, Spaß und die Sehnsucht nach frischem Wind!

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