Während der Corona-Krise ist es ruhig im Zoo. Für meinen Geschmack viel zu ruhig. Zum allerersten Mal empfinde ich so etwas wie Einsamkeit bei der Arbeit. Schon immer genieße ich den Luxus ein Büro ganz für mich alleine zu haben. Doch normalerweise herrscht hier täglich Trubel. Meine Mitarbeiter gehen ein und aus, haben Fragen oder updaten mich mit den neusten Infos. Es finden Meetings statt und ein Veranstaltungstermin jagt den nächsten. Direkt hinter meiner Bürowand liegt unser großer Zooschulraum und ich vermisse die lebhaften Schulklassen die hier täglich ein- und ausgehen. Kinderlachen, lautstarkes Stühle-Rücken, durchdringende Ansagen der Lehrkräfte… Es sind Erinnerungen fast wie aus einer anderen Zeit.
Wie sieht es an diesen Tagen in anderen Bereichen des Zoos aus? Wie empfinden meine Kollegen die derzeitige Situation?
Das Zooschulteam – Homeoffice während der Corona-Krise
Ich habe mein gesamtes Zooschul-Team ins Homeoffice geschickt. Wir versuchen nun die Zeit produktiv zu nutzen, um das Konzept der Zooschule weiter auszubauen. Es wird z.B. an einem neuem Kitaprogramm, sowie einem barrierefreiem Angebot gearbeitet. Zur Aufgabenverteilung, und um uns gegenseitig auszutauschen, nutzen wir Messenger-Dienste, E-Mails und natürlich das altbewährte Telefon. Die Zooschulmitarbeiter arbeiten normalerweise ausschließlich praktisch (Führungen, Zooschulunterricht) mit unseren Besuchern. Das theoretische Arbeiten im Homeoffice ist für viele neu. Erschwerend kommt hinzu, dass viele aufgrund der Corona-Krise ihre Kinder nun Zuhause betreuen müssen. Ich bin sehr dankbar und stolz auf mein Team, dass sie ihre neuen Aufgaben so voller Motivation meistern.

Die Zooschule – dringlicher Bildungsauftrag
Hauptaufgabe der Zooschule ist die Vermittlung von Themen wir z.B. Artenschutz. Natürlich lässt mich der Gedanke nicht los, wie wir diese Aufgabe auch nach der Corona-Krise nachhaltig umsetzen. Viele werden mit finanziellen Problemen kämpfen. Dagegen wirkt Artensterben und der Biodiversitätsverlust auf den ersten Blick wie ein Luxusproblem. Bei dem neuartigen Corona-Virus Sars-CoV-2 handelt es sich jedoch um eine Zoonose. So nennt man eine Infektionskrankheit, die zwischen Tier und Mensch übertragen wird. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Übertragung erhöht sich natürlich je näher der Mensch im Kontakt zu Wildtieren steht.
Durch die Zerstörung der Lebensräume sterben viele Wildtierarten oder sie rücken näher in menschliche Siedlungen. Auch auf Wildtiermärkten, wie sie u.a. in Wuhan Alltag sind, besteht ein enger Kontakt zwischen Mensch und Tier. Verlieren Viren ihren Wirt, weil das Wildtier beispielsweise stirbt, oder zum Verzehr getötet wird, suchen sich Viren gezwungener Maßen einen neuen Wirt. Der neue Wirt ist ein anderes Wildtier oder eben der Mensch. Der Erhalt der biologischen Vielfalt trägt damit auch zum Schutz der menschlichen Gesundheit bei. Durch die aktuelle Corona-Krise wird noch einmal deutlich, wie wichtig unser Bildungsauftrag ist!

Die Tierpflege – Schutz unserer Schützlinge
Unsere Tiere müssen natürlich auch in Zeiten des Corona-Virus weiter versorgt werden. Um die Gefahr einer möglichen Ansteckung zwischen den Tierpflegern, und eine Übertragung auf unsere Tiere zu minimieren, werden mehrere Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Vor allem heißt es nun „Abstand halten“! Die Tierpfleger arbeiten in zwei Teams, 7 Tage die Woche. Die Teams treffen sich nicht persönlich. Anschließend folgt eine Woche „zu Hause“, wobei alle Tierpfleger in Bereitschaft stehen, falls ein Tierpfleger des gerade arbeitenden Teams am Corona-Virus erkrankt und das gesamte Team in Quarantäne muss.
Ein Sicherheitsabstand wird auch zu den Tieren eingehalten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich ein Tiger des New Yorker Bronxs Zoo mit dem Corona-Virus infiziert hat. Er zeigte die typischen Symptome wie trockener Husten und Appetitlosigkeit. Bei unseren Pumas und natürlich auch bei den Schimpansen, die uns genetisch unglaublich ähnlich sind, achten die Tierpfleger daher auf besondere Hygiene. In den Revieren wird bei direktem Tierkontakt nur noch mit Schutzausrüstung, bestehend aus Atemschutzmasken und Handschuhen, gearbeitet.

Die Tierpfleger – Entspannung und Sehnsucht nach guten Gesprächen
Wie ergeht es unseren Tierpflegern mit den neuen Maßnahmen? Katja und Annika bestätigen mir, dass alles seine guten und schlechten Seiten hat. Katja genießt den Wegfall von Zeitdruck und fühlt sich viel entspannter. Normalerweise muss um Punkt 9 Uhr, wenn der Zoo öffnet, alles tip top in Ordnung sein. Die Anlagen werden nun ganz in Ruhe gereinigt, Futtereimer auch erst kurz nach 9 Uhr von den Besucherwegen geräumt, oder das Tiertraining startet auch mal 5 Minuten später. Da viel körperliche Arbeit anfällt, ist der neue Arbeitsrhythmus aber natürlich auch ganz schön anstrengend! Die Kommunikation unter den Kollegen leidet: Vieles wird schriftlich über die Revierbücher oder eben per Telefon geklärt. Feinheiten und Spontanität bleiben häufig auf der Strecke, vier-Augen Gespräche über die gemeinsamen Schützlinge sind nicht mehr möglich und werden schmerzlich vermisst.

Die Tiere – Buhlen nach Aufmerksamkeit
Und wie geht es unseren Tieren ohne Besucher? Sie sind äußerst aufmerksam geworden, wenn jemand an ihren Gehegen vorbeiläuft. So wurde ich heute Morgen auf dem Weg zum Büro gleich von sechs scharfen Pumaaugen verfolgt. Anschließend begrüßte mich unsere Schneeeule Louis lautstark. Auch Katja und Annika bestätigen mir, dass die Tiere nun noch intensiver auf die Pfleger reagieren und um deren Aufmerksamkeit buhlen.
Vor allem unsere Seebären und Seelöwen spielen häufig mit den Kindern an der Unterwasserscheibe. Das Spielen fehlt ihnen nun und wird so gute es geht von den Tierpflegern übernommen. Genauso fehlt es den Tieren die verschiedenen Besucher zu beobachten. Langweilig wird es für sie aber trotzdem nicht, denn das sogenannte „Behavioural und Environmental Enrichment“ genießt bei uns im Zoo einen besonderen Stellenwert. Was das ist und wie sich unsere Tierpfleger – auch unabhängig von der Corona-Krise – immer wieder neue Beschäftigungsmöglichkeiten ausdenken, habe ich euch bereits in einem anderen Beitrag berichtet.

Die Stammbesucher – rührende Treue auch während der Corona-Krise
Katja gesteht mir, wie sehr ihr auch die Gespräche mit unseren Stammbesuchern fehlen. Einige sind täglich im Zoo und es ist einfach unendlich schade, dass sie aktuell vieles – allen voran natürlich die Entwicklung unserer Eisbären-Zwillinge Anna und Elsa – nicht mitverfolgen können. Eine Jahreskartenbesitzerin winkte mir neulich durchs Fenster zu. Ich beobachte wie sie regelmäßig zum Zoo kommt. Sie versucht durch die großen Scheiben auf der Rückseite der Eisbärenanlage einen Blick auf die Eisbären-Zwillinge zu werfen. Ich hoffe, dass ihr das gelingt und drücke die Daumen, dass die Kleinen sich oft am Fenster zeigen. Bis der Zoo wieder eröffnet, versuchen wir unsere Besucher so gut es geht via Instagram und Facebook über die Entwicklung der Eisbären-Zwillinge und das weitere alltägliche Geschäft des Zoos, auf dem Laufenden zu halten. Wer möchte, kann unsere Tiere auch digital auf der Website „besuchen“ und viel Spannendes über sie erfahren.
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Mehr InformationenDer Shop – die Corona-Krise als Chance nutzen
Nirgends sonst im Zoo ist der finanzielle Verlust gerade so deutlich und allgegenwärtig zu spüren wie an der Zoo-Kasse und im Zoo-Shop. Der Karfreitag ist traditionell der besucherstärkste Tag mit dem größten finanziellen Umsatz. Das Osterfest und unser Osterprogramm sollte eigentlich ein toller Auftakt in eine vielversprechende Saison werden. Nun herrscht gähnende Leere und die Einnahmeverluste aufgrund der durch das Corona-Virus bedingten Schließung sind enorm. Ich spreche mit Sina, unserer Leiterin des Shops. Im Shop ist es nun ruhig und Sina nutzt die Zeit, all die Dinge zu tun, für die im normalen Alltagsgeschäft wenig Zeit bleibt. Sie räumt das Lager auf und strukturiert den Shop neu. Aktuell setzt sich Sina mit der Nachhaltigkeit der im Zoo-Shop angebotenen Produkte auseinander. Ein Thema das ihr besonders am Herzen liegt. Ganz vorne steht hier natürlich die Produktauswahl zum Thema Eisbären-Zwillinge.

Die Verwaltung – Große Hoffnung auf die Sommer-Saison
Auch Nicole, die für die Erfüllung des Wirtschaftsplans verantwortlich ist, versucht optimistisch in die Zukunft zu schauen. Eventuell gelingt es dem Zoo, die Verluste im Laufe des restlichen Jahres, durch eine tolle Sommersaison, zu minimieren. Leider können wir zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht abschätzen, wie das Verhalten der Menschen nach der Eröffnung sein wird. Sind sie vorsichtig und zurückhaltend oder „hungrig“ nach Freizeitaktivitäten und neugierig, z.B. auf unsere Eisbären-Mädels? Wann kann der Zoo wieder öffnen? Unter welchen Auflagen? Wir wissen es zum derzeitigen Zeitpunkt nicht.
Nachdem man in der Zooverwaltung viele Tage damit beschäftigt war alle internen Arbeitsabläufe umzustellen und das Risiko einer möglichen Ansteckung für Mensch und Tier zu minimieren, steht nun die finanzielle Zukunft des Zoos im Fokus. Im Gegensatz zu anderen Betrieben kann der Zoo nicht einfach „herunterfahren“ und es können kaum Kosten eingespart werden. Können alle Mitarbeiter weiter beschäftigt werden? Oder wird der Zoo Kurzarbeit anmelden müssen? Der Zoo finanziert sich zum größten Teil aus Eintrittsgeldern. Wird es staatliche Fördermittel für den Zoo geben? Auch diese Frage bleibt derzeit noch unbeantwortet. Wir sind daher sehr dankbar und freuen uns über jede finanzielle Unterstützung, die ihr aktuell durch den Kauf von Gutscheinen, Patenschaften aber auch Spenden leistet.

Bleibt gesund!
Wir alle blicken nun sehr gespannt auf die zukünftige Entwicklung rund um das Corona-Virus und die damit verbundenen politischen Entscheidungen. Natürlich hoffen wir, die Corona-Krise möglichst bald überwunden zu haben. Doch zu sehen, wie viele Chancen diese Krise mit sich bringt und wie wir gemeinsam über uns hinauswachsen, indem wir neue, unbekannte Wege gehen, stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir alles meistern können. In diesem Sinne: Bleibt gesund!