Das Capitol an der Hafenstraße ist schon vieles gewesen: Kino, Tanzschule, Diskothek. Seit fast 30 Jahren ist es nun das einzige feste Haus für Kabarett weit und breit – bespielt durch die Arbeitnehmerkammer Bremen. Ich war dort zu Gast und habe mich dort mal umgeschaut.
Zu Gast im Capitol
Ich stelle mein Auto an der Hafenstraße ab und überquere an der Ampel die Straße. Auf der anderen Seite geh ich noch ein paar Meter, es ist windig und auch schon ziemlich dunkel. Zwar ist es noch gar nicht so spät, aber seit der Zeitumstellung wird es wieder früh dunkel. Einladend erhellt ist das Foyer des Capitols in der Hafenstraße 156. Ich bin am Ziel. Ich öffne die Tür und trete in das frisch renovierte Foyer des Kleinkunsthauses ein.
Es riecht noch ein bisschen nach Farbe, denn die Renovierungsarbeiten sind gerade erst abgeschlossen. Das Foyer wirkt frisch und gemütlich. Es lädt die Gäste ein, es sich vor oder nach der Vorstellung mit ein oder zwei Getränken gemütlich zu machen.
Der Kulturreferent für Bremerhaven der Arbeitnehmerkammer Bremen, Tobias Pollok, begrüßt mich. Vor der Vorstellung haben wir noch etwas Zeit uns zu unterhalten. Unser Gespräch wird begleitet von den Aufgaben, die mit so einer Abendveranstaltung einhergehen. Tobias stellt mich den Kolleg:innen für Technik und Besucherservice und Gastronomie vor. Zwischendurch kommen die beiden Kabarettisten aus Berlin, die heute für das Bühnenprogramm zuständig sind, vom Essen zurück. Martin Valenske und Henning Ruwe mit ihrem Programm „Unfreiwillig Komisch – Kabarett zum Wegschmeißen“ sind aus dem Berliner Kabaretttheater „Distel“ eingeladen.Es folgt ein kurzer Schnack und die Versicherung, dass die beiden gut versorgt sind. Nach und nach kommen dann die Gäste. Tobias Pollok begrüßt sie, scannt Tickets, erfüllt Wünsche, schnackt und sorgt für Bewirtung seiner Künstler. Grundsätzlich herrscht eine entspannte und lockere Stimmung – offen und gesellig.
Capitol: Kino, Tanzschule und jetzt?
Aber ins Plaudern kommen wir auch. Das Capitol an der Hafenstraße war einst ein Kinoraum mit über 800 Plätzen. Nach der Schließung der großen Leinwand zog die Tanzschule Mohr in die Räumlichkeiten. Danach gab es Zwischennutzungen als Diskothek. Seit 1993 ist es nun die einzige Kabarettbühne im Umkreis und auch Bremen hat kein eigenes festes Haus nur für dieses Genre.
Die Arbeitnehmerkammer vertritt die Interessen und Rechte der angestellten Bevölkerung Bremens. „Ja, du bist auch Mitglied“, sagt mir Tobias Pollok und ich frage mich, wann ich denn diese Mitgliedschaft unterschrieben habe. „Mit deinem Arbeitsvertrag“, erklärt er und grinst. „Unser Programm wird aus Mitgliedsbeiträgen bezahlt. Jede:r Arbeitnehmer:in im Land Bremen zahlt genau 0,15% (ab Jan. 2023 0,14%) des Bruttolohns an die Arbeitnehmerkammer als Beitrag.“
Das wirkt sich tatsächlich auch auf die Eintrittspreise aus. Hier bekommen nicht nur Studierende oder Senor:innen Rabatt, sondern alle Arbeitnehmer:innen im Land Bremen.
Die Arbeitnehmerkammer manifestiert in ihrer Satzung einen politischen Bildungsauftrag und die Demokratisierung der Gesellschaft. Die Idee, diese Anliegen auch kulturell darzustellen, entstand zu Beginn der 1990er Jahre. Seit 1993 setzt die Arbeitnehmerkammer das nun höchst erfolgreich im Capitol um. In der Zeit erstarkte das politische Aufbegehren der rechten Szene in der Stadt. Die Arbeitnehmerkammer wählte zur Sichtbarkeit und Positionierung unter anderem den Weg des politischen Kabaretts.
Bei einer Sanierung 1991 wurde ein Bühnenraum geschaffen, der 200 Gäste fasst und ein großzügiges Foyer. Tatsächlich war es mehr ein Neubau, denn nur die Fassade blieb von dem ehemaligen Kino erhalten. Die Arbeitnehmerkammer teilt sich diese Räumlichkeiten mit Radio Weser TV.
Willkommen, Bienvenue, Welcome!
Tobias Pollok hat die Leitung der Bühne 2019 von seiner langjährigen Vorgängerin Gundula Ott von Bonin übernommen. Das erste Jahr war natürlich gut vorbereitet und musste „nur abgespielt“ werden. Tobias freute sich darauf, dann endlich seine eigene Handschrift einzubringen und selber das neue Programm zu entwickeln. Bekannterweise kamen dann ganz andere Herausforderungen. „Das Gute an der Pandemie ist, wenn man so will, dass es eigentlich keinen Worst Case mehr gibt, der mir schlaflose Nächte bereitet.
Sonst hab ich manchmal gedacht, was ich denn nur mache, wenn eine Agentur anruft und spontan einen Auftritt absagt, aber jetzt sind wir mit allen Wassern gewaschen.“
Er bedauert es etwas, dass es nicht zu seiner Arbeitszeit gehört, sich spät nachts die 3. öffentlich-rechtlichen Programme anzuschauen, weil das immer noch Pflichtprogramm ist, um Kabarettgold zu finden.
„Ich entscheide letztlich schon alleine, was auf dieser Bühne stattfindet. Aber mein Kollege in Bremen und ich schauen oft gemeinsam, was wir an beiden Standorten anbieten können. Mit dem Verbund renommierter Kleinkunstbühnen „Nordkurve“ (Pumpwerk Wilhelmshaven, Kasch Achim, Bürgerhaus Schortens, BEGU Lemwerder, Capitol Bremerhaven, TiF Bremerhaven und die Kulturetage in Oldenburg) gelingt es darüber hinaus, dass Künstler:innen kleine Tourneen durch Norddeutschland machen. Dieser Austausch und Kontakt der Kleinkunstbühnen ist für Tobias Pollok sehr wichtig, denn sein eigenes Team ist sehr klein.
Heute Abend präsentieren wir…
Doch zu tun gibt es genug: im Regelfall werden abseits einer Sommerpause 30 Abendveranstaltungen im Jahr gespielt. Auch zur Langen Nacht der Kultur ist die Arbeitnehmerkammer schon viele Jahre dabei. Das Stammpublikum kommt schon lange und treu ins Capitol, aber es sind auch immer wieder „neue Nasen“ dabei, die den Kulturort an der Hafenstraße für sich entdecken. „Eigentlich sind wir eine Auslastung von über 90% gewohnt. Gerade merken wir, dass die Gäste noch zögern und hoffen einfach, dass es bald wieder voll ist. Dann macht es einfach am meisten Spaß!“
In den fast 30 Jahren gibt es auch einige Künster:innen, die den Veranstaltungsort und damit auch Bremerhaven ins Herz geschlossen haben. Obwohl ihre Konditionen mittlerweile Räume mit weniger als 800 Sitzplätzen ausschließen, kommt doch der ein oder andere gerne noch zurück in das Capitol an der Hafenstraße. An der Wand mit den vielen Fotos und Unterschriften finden sich bekannte Namen wie Dieter Nuhr, Mark-Uwe Kling, Florian Schröder oder Sebastian Puffpaff.
Mal vorbeischauen?
Kommt doch mal vorbei. Alle Termine und Tickets gibt es auf der Homepage . Die nächste Gelegenheit habt Ihr schon am Samstag: Da verspricht Herr Holm, ein mürrischer Polizist aus Hamburg, eine furiose Mischung aus Schauspiel, Wortwitz, Slapstick und visueller Komik.
Schreibe einen Kommentar