Viermaster, Vollschiff, Bark, Klüverbaum, Nagelbank… – falls ihr da jetzt nur Chinesisch versteht, kommt hier eure große Chance, demnächst als echter Fachmann in Sachen Seefahrtskunde durchzugehen. In diesem Blogbeitrag werde ich euch nämlich – so von Seebär zu Landratte – ein paar kleine Grundlagen vermitteln, mit denen ihr zum Beispiel im nächsten Sommer auf der SAIL Bremerhaven 2020 richtig auf den Rollmops hauen könnt – Sprotte drauf! Doch genug gesabbelt. Fangen wir an.
Bug, Heck, Backbord und Steuerbord
Natürlich gibt es bei Schiffen, so wie bei allen anderen Fahrzeugen sonst auch, die herkömmlichen Einteilungen, wie vorne, hinten, rechts, links usw. Nur heißen die bei Schiffen in der Regel eben anders als bei Autos, Baggern oder Lokomotiven. Einziger Sinn und Zweck dieser speziellen Namensgebung ist natürlich euch zu verwirren. Doch damit ist jetzt Schluss.
Vorne (Bug) und hinten (Heck) kann man sich noch recht leicht merken. Links und rechts wird schon etwas komplizierter. Das liegt daran, dass wir es gewohnt sind, rechts und links immer von der eigenen Position abhängig zu machen. Rechts ist eben immer rechts von UNS. Nicht aber auf einem Schiff. Da heißt rechts nämlich Steuerbord und befindet sich immer in Blickrichtung des Bugs auf der rechten Seite. Links heißt übrigens Backbord und ist überraschenderweise genau auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn wir also verkehrt herum auf einem Schiffsdeck stehen, ist rechts von uns eben links vom Schiff und umgekehrt. Logisch oder?
Die Wikinger warn‘s
Erfunden haben den Kram übrigens die ollen Wikinger. Die waren ja recht kompetente Seeleute und haben ihre Schiffe, wenn sie nicht gerade mit Met trinken beschäftigt waren oder den Engländern auf den Helm gehauen haben, mit einem Ruder gesteuert. Das befand sich damals eben immer auf der rechten Seite des Schiffes – also war das die STEUERbordSEITE. Der Bursche, der das Ruder mit seinen beiden Händen festhalten musste, stand dabei mit seinem Rücken (Back) zur linken Seite des Schiffes – das war also Backbord.
Eine kleine Eselsbrücke gibt es dazu auch: Steuerbord enthält im ersten Teil des Wortes ein „R“, Backbord nicht. Steuerbord ist also rechts und Backbord nicht.
Von unten bis Kiel oben
Unten ist bei einem Schiff der Kiel, außer wenn es „Kiel oben“ schwimmt, dann ist es nämlich umgekippt, aber selbst dann ist der Kiel noch immer der untere Teil des Schiffskörpers. Wenn man so will, ist er die Naht an der die beiden Schiffshälften miteinander verbunden sind. Die Etagen über dem Kiel heißen Decks und werden von unten nach oben durchnummeriert. Zur leichteren Zuordnung bekommen sie häufig Namen wie Sonnendeck, Topdeck usw. Der ganze Schiffskörper zusammengenommen nennt sich Rumpf. Wenn ihr das alles verinnerlicht habt, wisst ihr schon mal mehr als die allermeisten Menschen, die sich den Film „Titanic“ angeschaut haben – egal wie oft und in welcher Version.
Wie viele Masten hat ein Viermaster?
Häufig werdet ihr mit den Namen von Segelschiffstypen konfrontiert, die euch vermutlich nicht viel sagen werden. Damit ihr eurem weise dreinblickenden Gesichtsausdruck zukünftig auch die entsprechende Fachkenntnis folgen lassen könnt, gibt es hier das kleine Einmaleins der Segelkunde.
In der Segelschifffahrt unterscheiden die Schiffstypen sich vornehmlich durch zwei Faktoren. Von der Anzahl der Masten und in der Art ihrer Takelung – also der Ausstattung und Anordnung der Segel auf den einzelnen Masten. Bei der Anzahl der Masten ist es recht einfach. Es gab Segelschiffe mit bis zu sieben Masten. Ein Schiff mit zwei Masten ist ein Zweimaster, eines mit Dreien ist ein Dreimaster usw. Die Masten haben bestimmte Namen. So heißt der erste Mast immer Fockmast und der letzte fast immer Kreuz-/Besanmast. Die dazwischen Liegenden variieren in ihren Namen durch ihre Anzahl.
Bei Dreimastern heißt der zweite Mast Großmast. Bei Viermastern heißt der dritte (vorletzte) Mast Achter- oder Hauptmast. Bei Fünfmastern gäbe es noch einen Mittelmast. Da es aber nur noch einen Fünfmaster auf den Weltmeeren gibt, werdet ihr ihn aber vermutlich selten zu sehen bekommen. Bei der Takelung wird es etwas komplizierter, deshalb widmen wir ihr einen eigenen Absatz.
Rah- und Schratsegel
Sämtliche Bezeichnungen oder Segeltypen zu erklären, würde den Rahmen sprengen und schließlich wollt ihr morgen ja auch nicht auf einem Windjammer anheuern, nicht wahr? (Falls doch: GreenSails) Deshalb halten wir uns an die gängigen Schiffstypen, die ihr auf der SAIL auch zu sehen bekommt. Zunächst müssen wir uns noch mal kurz die Masten genauer anschauen.
Wenn sich daran nämlich große Querbalken befinden, die in ihrer Mitte am Mast befestigt sind, sprechen wir von sogenannten Rahen. An ihnen befestigt sind die Rahsegel. Das sind meist rechteckige oder trapezförmige Segel, die quer zur Längsachse gesetzt werden (also von Backbord nach Steuerbord).
Die andere Kategorie von Segeln sind die, die in Ruhestellung entlang der Längsachse des Schiffes liegen – also mit der Schiffslinie. Das sind die sogenannten Schratsegel. Die Schiffstypen definieren sich nun danach, wie viele Segel welcher Art genau an welchen Masten getakelt sind. Klingt erstmal ganz einfach oder?
Merke: Rahsegel: quer zur Längstlinie des Schiffes! Schratsegel: entlang der Längstlinie des Schiffes!
Vollschiff, Bark, Brigantine & Co
Vollschiff: Von einem Vollschiff sprechen wir bei einem Schiff mit mindesten drei Masten, bei dem jeder davon sämtlich mit Rahen betakelt ist. Am hinteren Mast befindet sich zusätzlich ein Schratsegel. Vollschiffe mit einer größeren Anzahl an Masten heißen „Viermastvollschiff“ oder „Fünfmastvollschiff“.
Die bekanntesten Vollschiffe der SAIL 2020 sind: Mir, Dar Mlodziecy, Christian Radich, El Mellah.
Schoner: Ein Schoner ist ein wenig komplexer. Von Prinzip hat er mindestens zwei Masten, wobei der vorderste Mast immer niedriger ist als einer der hinteren. Alle Masten sind grundsätzlich mit Schratsegeln getakelt. Schoner mit mehr als zwei Masten heißen Dreimastschoner oder Viermastschoner usw. Eine Unterkategorie der Schoner ist der Toppsegelschoner. Er führt mindestens am vorderen Mast ein oder mehrere Rahsegel (top sail).
Merke: zwei Masten oder mehr und an allen davon Segel, die entlang zur Längstlinie laufen: Schoner.
Die bekanntesten Schoner der SAIL 2020 sind: Zuiderzee, Capitan Miranda (Dreimastschoner), Santa Maria Manuela (Viermast-Gaffelschoner).
Bark: Eine Bark hat mindesten drei Masten. Bei ihr sind aber nur die ersten Masten mit Rahen betakelt. Der letzte Mast ist nur mit Schratsegeln betakelt. Barken mit einer größeren Anzahl an Masten heißen Viermastbark oder Fünfmastbark.
Merke: mindesten 3 Masten – der Letzte nur mit Segeln, entlang der Längstlinie des Schiffes: Bark.
Die bekanntesten Barken der SAIL sind: Alexander von Humboldt II, Gloria, Statsraad Lehmkuhl, Artemis, Earl of Pembroke
Barkentine oder Schonerbark: Eine Barkentine hat mindestens drei Masten, wobei nur der vordere davon mit Rahsegeln getakelt ist. Alle anderen Masten tragen Schratsegel.
Die bekanntesten Barkentinen der SAIL sind: Atlantis, Pogoria
Brigg: Von einer Brigg sprechen wir bei einem Schiff mit zwei Masten, bei dem beide mit Rahen betakelt sind. Es ist quasi ein Vollschiff mit nur zwei Masten. Zusätzlich befindet sich am hinteren Mast ein Schratsegel.
Brigantine oder Schonerbrigg: Auch eine Brigantine hat zwei Masten. Bei ihr ist aber nur der erste mit Rahen betakelt. Der zweite ist mit Schratsegeln betakelt. Sie sieht aus wie eine Bark mit zwei Masten.
Einige weitere Schiffstypen habe ich mit Links versehen. Dahinter findet ihr Zeichnungen mit kurzen Texten, die den jeweiligen Typ gut bescheiben.
Noch ein wenig mehr Seefahrtskunde
Galeonen: Sind alte Kriegs- und Handelsschiffe aus einer Zeit, bevor man nach Vollschiffen und Barken kategorisierte. Man kennt sie vornehmlich aus Abenteuerfilmen. Heute existieren nur noch Nachbauten davon. Wenn ihr eine Galeone seht, erkennt ihr sie auf jeden Fall. Auf der Sail 2020 wird die „El Galeon“ zu Gast sein. Ein fast 50 Meter langer Dreimast-Segler, der gleichzeitig auch ein schwimmendes Museum ist.
Klipper: Ein schlankes und stromlinienförmiges Segelschiff, das auf hohe Geschwindigkeit ausgerichtet war und bis zur Einführung des Dampfers für den schnellen und weiten Transport von hochwertigen Gütern bestimmt war. Klipper waren meistens als Vollschiff getakelt. Der Name stammt vom englischen Verb „clip“, was zerschneiden bedeutet. Die schnellen Schiffe „zerschnitten“ mit ihrem Sichelbug förmlich die Wellen. In London Greenwich liegt der einzige noch original erhaltene Klipper – die Cutty Sark – als Museumsschiff. Die Niederländer haben 1999 mit der „Stad Amsterdam“ einen wunderschönen Klipper nachgebaut, der auch schon mehrfach in Bremerhaven war.
Windjammer: Bezeichnung für die heutigen großen Segelschiffe, die als Nachfolger der Klipper gelten. Die „Kruzenshtern“, die 1926 als „Padua“ in der Geestemünder Tecklenborg-Werft gebaut wurde und regelmäßiger Gast in der Seestadt ist, ist der letzte Windjammer, der noch als Frachtschiff gebaut wurde.
Aufschließen: Das Tauwerk richtig hinlegen.
Belegnagel: Herausnehmbarer Dorn aus Holz oder Metall, an dem Taue und Leinen befestigt werden.
Bugspriet: Schräg am Bug nach vorne ragender Vormast des Segelschiffes
Bullauge: Rundes Schiffsfenster.
Entern: In die Takelage klettern.
Fender: Polstergegenstand zwischen Pier und Schiffswand.
Gangway: Steg für den Landgang.
Glasen: Läuten mit der Schiffsglocke zur Angabe der Uhrzeit.
Klüse: Gerundete Öffnung zum Führen von Tauwerk.
Klüverbaum: Verlängerung des alten Bugspriets.
Kombüse: Schiffsküche
Lee: Die dem Wind abgewandte Seite
Luv: Die dem Wind zugewandte Seite.
Messe: Raum, in der die Besatzung ihre Mahlzeiten einnimmt.
Nagelbank: Waagerechter Balken mit Bohrungen zur Aufnahme von Belegnägeln.
Pantry: Raum zur Geschirrreinigung und Aufbewahrung.
Poller: An Deck oder Land befindliche Vorrichtungen zur Belegung von Festmacherleinen.
Takelage: Gesamtbegriff für alle Teile der Segeleinrichtung.
Autor: Marco Butzkus
Schreibe einen Kommentar