Bremerhaven ist als Wissenschaftsstandort noch nicht recht bekannt; völlig zu Unrecht, wie die lange Liste der Institutionen zeigt, die sich in der „Pier der Wissenschaft“ zusammengeschlossen haben. Darunter sind so renommierte Einrichtungen wie das AWI (Alfred Wegener Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung), die Thünen-Institute und ein Fraunhofer-Institut für Windenergie. Jetzt aber soll von der höchst agilen Hochschule mit teilweise bundesweit einmaligen Studiengängen die Rede sein. Beziehungsweise von zwei ehrgeizigen jungen Männern, die durch ihre Studienarbeit das Thema Künstliche Intelligenz für Deutschland vorantreiben wollen. Für unsere neueste Podcastfolge habe ich – Kira war leider verhindert – mit Sahin Gültekin und Yuvakvechheka Som (kurz Ka genannt) gesprochen. Und mit Pepper, dem humanoiden Roboter, den sie fit machen für den späteren Einsatz als Touritiker. Hört rein:
Peppers Master-Buddies
„Digitalisierung“ und „Künstliche Intelligenz“ sind Schlagworte unserer Zeit – auch im Tourismus, in dem die von Menschen erbrachte Dienstleistung nach wie vor im Vordergrund steht. Doch gibt es nicht Tätigkeiten, die sinnvollerweise delegiert werden können? Zum Beispiel an eine künstliche Intelligenz? Das ist aus unserer Sicht die Ausgangsfrage für Kas und Sahins Bemühungen, aus dem beim Start eher noch „dummen“ Roboter eine echte Fachkraft zu machen. Sie bringen dafür beste Voraussetzungen mit: Beide haben Wirtschaftsinformatik studiert. Für die Pepper-Masterarbeit am Institute of Artificial Intelligence Methods and Information Mining (AIM) und dem KI-Lab Hochschule Bremerhaven unterstützen wir Touristiker*innen von der Erlebnis Bremerhaven GmbH sie als Kooperationspartner daher gern.
Von Null auf Fachkraft
Als Pepper kam, konnte er noch gar nix. Naja, er konnte sehen und sich aufrichten, wie das Video zeigt. Bei der Aufnahme einige Tage später konnte er dann schon sprechen und erste Dialoge führen, das hört ihr im Podcast. Sahin und Ka sind also wieselflink im Aufschlauen des humanoiden Roboters. Doch bis zur Erfüllung seiner eigentlichen Aufgabe – Pepper soll in der Tourist-Info im Schaufenster Bremerhaven auf Fragen antworten – ist es noch ein langer Weg. Dazu gehört nämlich auch, dass Pepper erkennt, wen er vor sich hat: eine Familie, ein Kind, eine Senior*in? Auch das Alter und etwaige Emotionen soll er im Gesicht ablesen können. Einzelnes kann er jetzt schon, aber die Funktionen sind noch nicht zusammengeführt, sagt Sahin im Gespräch dazu.
Arbeit mit Pepper
Werden wir kurz technisch: Wer glaubt, dass Sahin und Ka in Einsen und Nullen denken müssen, um dem Roboter das notwendige Rüstzeug beizubringen, der irrt. Die beiden denken in – nicht an – Java. Die plattformübergreifende Programmiersprache ermöglicht es , dass Sahin und Ka in ihren eigenen Worten – der Informatiker sagt „menschenverständlicher Text“ dazu – formulieren, was Pepper tun soll. Java übersetzt das dann in die Sprache, die Pepper kann. Klingt einfach, oder? Ist es aber nicht ganz.
„Pepper ist wie ein kleines Kind, das das Gelernte ja auch noch nicht gleich kann. Der Roboter muss ausprobieren, wird korrigiert und hat es dann irgendwann kapiert.“
Sahin Gültekin über die Arbeit mit dem humanoiden Roboter Pepper
Pepper hört und lernt
Dieses Ausprobieren bezeichnen Ka und Sahin als Lernphase. Und dafür braucht es viele, viele Tests. Heißt, Pepper braucht viele, viele unterschiedliche Personen vor sich, um immer wieder neu zu lernen, wie facettenreich das menschliche Leben ist. Wie Menschen lächeln, dass Frauen auch kurze Haare und Männer auch zarte Figuren haben können. Neben dem Äußeren ist auch die Sprache ein weiteres Lernfeld. Pepper kann keine Rechtschreibung, übersetzt sich das Gehörte in seine eigene Sprache und reagiert darauf. Beispiel Gorilla. Der eine sagt eher „Gohrilla“, der andere „Goarilla“ und der dritte „Gurilla“. Alle meinen aber den großen Menschenaffen, was Pepper erkennen muss. Und vielleicht jetzt, da ich das schreibe, schon kann, denn Sahin und Ka erlauben sich, Pepper auch Spiele beizubringen – und in einem trägt der Gorilla sehr zum Amüsement bei.
Künstliche Intelligenz braucht Menschen
Im Idealfal – und da macht die aktuelle Pandemielage leider einen dicken Strich durch die schöne Rechnung – wollen wir die Bremerhavener*innen aufrufen, mit Pepper ins Gespräch zu gehen. Als Begegnungsort soll der „Maschinenraum“ dienen, ein bisheriger Leerstand im Columbus Shopping Center, den wir für die Masterarbeit angemietet haben.
Hm, klappt momentan nicht so ganz, aber durch die Scheiben schauen könnt ihr natürlich trotzdem. Ehrgeizig, wie Sahin und Ka sind, werden sie sicher viele Stunden am Schreibtisch sitzen und mit Pepper lernen und üben.
Peppers Aufschlauer fasziniert von Künstlicher Intelligenz
Werden wir nochmal technisch. Schwache Künstliche Intelligenz (KI) ist momentan der Rahmen, in dem Pepper, Sahin und Ka agieren. Ihr dürft euch also nicht vorstellen, dass Pepper holywoodreife Leistungen ablieferen wird. Denn bis dahin ist noch viel Geduld nötig: Eine stärkere Künstliche Intelligenz erwarten die Experten erst in 20 Jahren. Doch schon jetzt kann KI eine ganze Menge. Beispiele gefällig? Die Gesichtserkennung des Handys. Die Filmempfehlungen eures Streamingdienstes oder Produkttipps des Internethändlers. Auch autonomes Fahren oder Anwendungen im Bereich Augmented Reality basieren auf Künstlicher Intelligenz und KI ist allgegenwärtiger Bestandteil unseres Lebens. Sahin und Ka prognostizieren, dass sie künftig noch mehr Raum einnehmen wird. Zur Akzeptanz von KI beizutragen dient unser Kooperationsprojekt – Sahin und Ka wollen mit ihm zusätzlich Lorbeeren ernten, um sich als künftige Spezialisten einen Namen zu machen. Wir drücken die Daumen!
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