Prognosen und Vorhersagen stehen am Anfang eines Jahres ganz hoch im Kurs. Wir haben den Jahresanfang genutzt, um das beliebte Thema Wetter mal grundsätzlich zu besprechen. Doch Kira und ich wollen nicht in die Glaskugel schauen, den Wetterfrosch die Leiter hoch und runter jagen oder Spökenkiekerei (Hellseherei) betreiben. Wir haben für die neueste Folge unseres Podcasts selbstverständlich einen Profi aus Bremerhaven befragt: Annika Brieber, Meteorologin im Klimahaus Bremerhaven. Hört hier, was sie zu Wettermythen und Bauernregeln sagt und der Zukunft des Wetters sagt.
Traumberuf mit Wetter-Blick
Annika ist die Wetterfee im Klimahaus: Bei ihr dreht sich bei den Wettershows, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und auch bei der Ausstellungsplanung alles um Hochs und Tiefs, um Regen und Sonnenschein. Den Beruf der Meteorologin hat sie bewusst eingeschlagen, denn sie hat sich immer schon für Naturwissenschaften interessiert. Die Meteorologie erlaubt ihr, nicht nur auf den Computer zu starren und Daten auszuwerten, sondern auch aus dem Fenster schauen zu dürfen. Eine weise Wahl, meint ihr nicht auch?
Wetterfrosch ist ausgestorben
Ich weiß ja nicht, ob ihr noch Wetterfrösche kennt. Bedauernswerte Amphibien, die in einem großen Weckglas leben mussten, um für ihre Wetterfühligkeit bestaunt zu werden. In der freien Natur krabbeln Frösche nämlich ihrer Nahrung, den Insekten, hinterher, wenn diese bei Luftdruckwechsel plötzlich in die Höhe gehen. Im Glas war das der Moment, wo der Frosch eine kleine Holzleiter nach oben kletterte. „Ah“, sagte man dann, „das Wetter wird gut!“.
Doch so richtig zuverlässig war dieses System der Vorhersage wohl nicht, erklärt uns Annika. Stattdessen begann man vor rund 150 Jahren mit der systematischen Wetterbeobachtung und -aufzeichnung. Heute reicht der Blick in die Wetter-App, um zu wissen, ob die dicke Jacke im Schrank bleiben darf oder besser die Gummistiefel an die Füße sollten. Die Daten kommen aus der Nähe, der Ferne, aus ganz Deutschland, Europa und sogar der Welt – vor allem aber mittlerweile von Satelliten. Diese Himmelskörper erfassen den gesamten Globus und liefern eine Unmenge an Daten.
Während der Wetterfrosch für eine recht kurzfristige Vorhersage stand, können unsere zeitgenössischen Meteorolog*innen rund zehn Tage bis zwei Wochen in die Zukunft des Wetters schauen. Für alle Zeiträume darüber hinaus besteht eine „Fifty-Fifty-Chance“ offenbart Annika im Gespräch.
Rückblick ist notwendige Erfolgskontrolle
Über das Wetter gibt es Trillionen Witze, vor allem, wenn zwischen Vorhersage und tatsächlichem Ereignis eine unangenehme Differenz besteht. „Ich schöpfe den geringen Niederschlag seit gestern Abend aus meinem Keller“ ist so einer davon. Die Vermutung liegt nahe, dass Meteorolog*innen das gar nicht interessiert. Doch weit gefehlt. Um in der Vorhersage immer genauer und besser zu werden, überprüfen die Fachleute tatsächlich zeitnah, ob das angekündigte Wetter auch wirklich gekommen ist. Als Handwerkzeug dienen verschiedene Wettermodelle, die je nach Anlass eingesetzt werden. Annika gelingt es, genau diesen Bereich ihres Arbeitsfeldes total spannend darzustellen – hört ihren Worten unbedingt zu.
Wind allein macht keine Sturmflut
Bremerhaven liegt meistens unter einer Westwindlage, führt Annika aus – und dennoch braucht sie Wetterdaten aus der ganzen Welt. Und tatsächlich ist es nicht unwichtig, ob sich beispielsweise das Wetter in Norwegen ändert. Weil in der Natur alles mit allem zusammenhängt, können kleine Veränderungen eben überall Auswirkungen haben. Als Schmetterlingseffekt bezeichnet der Profi das.
Wind macht Annika glücklich – welches Nordkind könnte das nicht verstehen? Davon haben wir tatsächlich mehr als die Regionen im Landesinneren. Manchmal führt starker Wind dann auch zu Sturmfluten – aber dafür müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, erklärt uns die Meteorologin. Der Wind ist jedenfalls grundsätzlich noch nicht heftiger geworden durch den Klimawandel.
Mit einem Mythos räumt Annika im Interview zum Glück auf: In Bremerhaven (an der Küste) regnet es nicht mehr als anderswo. Im Gegenteil, Orte vor den Alpen beispielsweise hätten mehr Niederschläge als wir. Nur weil wir in Punkto Niesel aktiver sind, käme es einem an der Küste nasser vor. Ob das unter „gefühltem Wetter“ einzugruppieren ist?
Erlebt Annika in der Wettershow
Wer mehr von der quirligen Meteorologin erleben möchte, dem empfehle ich in eine ihrer Wettershows zu gehen, die Annika regelmäßig im Klimahaus Bremerhaven gibt. Dort erklärt sie ebenso verständlich wie unterhaltsam, das aktuelle Wetter, Wetterlagen und lässt auch mal den ein oder anderen Besucher das Wetter „machen“. Die Daten für ihre Darstellungen kommen von der Wetterstation auf der Dachterrasse des Klimahauses. Der Deutsche Wetterdienst nimmt diese übrigens nicht – wegen des gewaltigen Baukörpers vom Atlantic Hotel Sail City sind speziell die Winddaten verfälscht und unsinnig,
Drei Klassen Wolken
Wichtiger Bestandteil von Wetter sind natürlich auch die Wolken, die von der Meteorologie genauestens beobachtet werden. Drei Klassen stellt Annika uns vor: Zunächst die Schichtwolken, auch Stratus genannt, Diese Wolken bedecken den Himmel, stehen für graues Wetter und bringen gern Regen. Kennen wir hier an der Küste gut. Dann die Haufenwolken, die als kleine Kumulus-Wolken aussehen wie unschuldige Schäfchen und eher gutes Wetter bringen. Aber Vorsicht, als großer Wolkenhaufen – Nimbus sagt die Fachfrau – entladen sie sich gern als Gewitter. Dennoch, hübsch anzusehen sind sie ja. Das gilt auch für die Cirrus-Wolken, die Annika als „durchscheinende Federwolken“ bezeichnet. Diese liegen sehr hoch am Himmel und transportieren kleinste Eispartikel, die dann gern mal glitzern.
Schlaue Bauern schauen in den Himmel
Weisheiten wie „Kräht der Hahn auf dem Mist …“, „Morgentau macht Himmel blau“ oder die Siebenschläfer-Regel sind vor vielen Jahrhunderten im Mittelalter als Wettervorhersagen entwickelt worden. Weil es gerade für die Landwirtschaft von Bedeutung war, kennen wir diese Sätze heute als „Bauernregeln“. Und zweifeln an deren Bedeutung. Doch sie haben einen wahren Kern, bestätigt Annika. Schließlich basieren sie auf der genauesten Beobachtung von Natur und Tier und deren Verhalten bei bestimmten Wetterlagen. Wahrscheinlich wären sie auch heute noch gültiger. Blöd nur, dass wir zwischenzeitlich einen Klimawandel haben, der die Genauigkeit der Bauernregeln auf 60 Prozent reduziert. Aber immerhin!
Machen Menschen in Zukunft das Wetter ?
Ganz zum Schluss unseres interessanten Gesprächs bleibt Kira und mir dann der Mund offen, als wir ein Thema ansprechen, das wir als absolute Fiktion eingeschätzt haben: Kann der Mensch das Wetter bestimmen, es machen? Ja, sagt Annika und berichtet von aktuellen Versuchen, Wolken zu impfen, damit sie an bestimmten Stellen abregnen. Klar, es ist verständlich, dass unter Trockenheit Leidende sich wünschen, mit einem Schnipp das Wetter ganz schnell ändern zu können. Bislang hat sich die Menschheit dem Wetter ergeben, hat angenommen was ist oder kam. Doch es gibt tatsächlich ernsthafte Bemühungen, das Wetter zu beherrschen und nicht nur Annika findet das ethisch bedenklich.
Vielen Dank, Annika für das spannende und leidenschaftlich geführte Gespräch über das Wetter und die Meteorologie. Das hat uns wahrlich begeistert!
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