Während das TV in diesen Tagen kitschig-schöne Märchenverfilmungen liebt und den Glauben an eine heile Welt vermittelt, gehen Kira und ich für unseren Podcast einen anderen Weg. Unsere Märchenlesung handelt von einem hilflosen Mann, von einer gierigen Frau und von einem Fisch, der am Ende aus beider Verhalten den größten Nutzen zieht. Richtig, die Rede ist „Vom Fischer un siine Fru“ und die Schreibweise macht schon deutlich: ihr hört gleich plattdeutsch. Wieder konnten wir den wunderbaren Ex-Kollegen Günther dafür gewinnen, der auch den größten Part unserer Lesung übernommen hat. Aber hört selbst, wie sich Kira und ich bemühen, dieser schönen aber nicht unkomplizierten norddeutschen Sprache die Poetik abzuringen:
Plattdeutsches Märchen vom Romantiker Runge
Die Kombination „maritim“, „plattdeutsch“ und „Märchen“ führt wahrscheinlich ganz automatisch zu diesem Märchen. Es erschien 1812 in den „Kinder- und Hausmärchen“ die die Brüder Grimm ja in ganz Deutschland eingesammelt hatten. Geschrieben hatte es Philipp Otto Runge, der sich vor allem als Maler der Romantik einen Namen gemacht hat. Wer etwas mehr zu dem wahrhaft vielseitigem Künstler wissen will, dem empfehle ich einen Blick in diesen Beitrag auf der Website des NDR.
Aber zurück zu unserer Märchenlesung. Die größte Herausforderung lag darin, dass Runge in Pommern zur Welt gekommen war und dort lebte, als er die Geschichte auf plattdeutsch schrieb. Heißt: auch das Platt ist pommersch. Wer dachte, allein das Ohnsorg-Theater sei plattdeutsch, der irrt – es ist sozusagen das hannoveraner Deutsch unter allen deutschen niederdeutschen Dialekten. Mei, haben wir uns einen abgesprochen! Teilweise sogar Günter – verzeih, wenn ich das hier so offenbare! – der aber immer einen sauberen Weg fand. Bei meiner Fassung bin ich mir da nicht so sicher. Kira hatte Glück, ihr Fischer-Part enthielt vor allem diese berühmten Zeilen, die sich leicht ablesen lassen:
Faszinierende Illustrationen
„Buttje“ meint einen Butt, also einen Plattfisch. Wie aus dem zarten Fischlein ein echt mächtiger Fisch wurde, erzählt der weitere Vorgang des Märchens. Eindrucksvoll hat die Zeichnerin Julia Beutling diese Entwicklung gezeichnet, deren Illustrationen für mich die wahre Qualität der Schünemann-Ausgabe darstellen. Sicher, den Originaltext von 1812 zu nutzen ist auch prima, aber diese Zeichnungen! Zum niederknieen. Ich zeige euch, was ich meine:
Ist das Größenverhältnis vom Fischer und seinem Fang am Anfang noch so, wie wir es bis heute kennen, hat sich dieses am Ende der Geschichte durch das Verhalten von Frau Nimmersatt – aka Ilsebill – komplett gedreht.
Wie es dazu kommen konnte, dass der Fischer an Größe verliert, zeigt sich ganz wunderbar in dieser Zeichnung, die das Verhältnis vom Fischer und siine Fru Ilsebill auf den Punkt bringt:
Denn mitnichten ist es allein Ilsebill, die den Weg vom „Pisspott“ – herrliches Wort! – über die Hütte, das Schloss, den Königs-, Kaiser- und sogar Pabsttrohn bis wieder in den Pisspott antritt.
An ihrer Seite immer der willfährige Mann. Herrscharen von Literaturwissenschaftlern haben den Text bereits analysiert und besondere Fassungen gefunden – mir reichen die grandiosen Zeichnungen, um die Hauptbotschaft von Runge zu verstehen: Gier ist nicht gut für Tier, Umwelt und den Menschen selbst.
Wenn ihr nun Lust habt, selber in dem besonderen Märchenbuch zu schmökern, dann könnt ihr hier auf der Website des Schünemann-Verlages euer Exemplar bestellen. Viel Freude! Kira und ich bedanken uns beim Verlag ganz herzlich für die großzügige Unterstützung und die Erlaubnis, die Illustrationen zeigen zu dürfen.
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