Kira versucht mal wieder, Plattdeutsch zu sprechen, zu schnacken. Ihr kundiger Gesprächspartner ist erneut Günther, mit dem wir schon einen ersten Versuch im letzten Januar gemacht und uns sogar an eine Märchenlesung auf Platt gewagt haben. Diesmal geht es um Wasser – um viel Wasser. Passenderweise saßen die beiden auf den Tag genau 59 Jahre nach einer für die Küste – und bekanntermaßen besonders für Hamburg – verheerenden Sturmflut zusammen. Aber es geht in unserer neuen Folge auch um die Abwesenheit von Wasser und dem Vergnügen daran. Kurz, es geht um Ebbe und Flut. Hier könnt ihr den beiden lauschen:
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Wo ist denn das Wasser hin?
Hoch und Niedrigwasser bestimmen das Aussehen der Wasserlandschaften an der Küste, also auch in Bremerhaven. Alle sechs Stunden ist der jeweilige Höchststand erreicht, schlagen die Wellen am Weserstrand entweder an oder man sieht den Meeresboden, weil eben kein Wasser da ist. Wir Küstenkinder erkennen ja ziemlich schnell, ob ein Binnenländer dies Phänomen zum ersten Mal sieht – der Blick ist so herrlich ungläubig. Am Ablauf, den wir hier auch als „Tide“ bezeichnen, hat der Mond übrigens auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Doch die Tide gibt nicht nur Grund zum Wundern, sondern auch zum Fürchten. Und was Günther im Podcast über seine Erlebnisse während der großen „Jahrhundert-Sturmflut“ im Februar 1962 erzählt, das treibt nicht nur Kira die „Gänsepelle“ auf die Arme. Denn der kleine Günther wagte es tatsächlich, über die Deichkrone zu blinzeln und auf die Wassermassen zu schauen. Keine gute Idee! Hört selbst, welche Angst der Kleine bekam. Auch seine Demut vor den Wassermassen und der Gewalt des Meeres ist ergreifend.
Bis heute ist die Flut von 1962 zum Glück nicht wieder erreicht. Ich selber erinnere mich an die Sturmflut von 1973, denn da versuchte ich wie Günther auf dem Weserdeich – der hatte damals eine grüne Spundwand zum Schutz – die Gewalt des Sturms und der Wassermassen zu begreifen. Und obwohl es bei weitem nicht die selbe Dimension wie elf Jahre zuvor war: Die Ehrfurcht ist bis heute geblieben.
Bremerhaven hatte 1962 übrigens richtig Glück gehabt: Zwar schlugen die Wellen hoch auf dem Deich an, aber da wenige Monate vor dem Extremwettertag ein Sperrwerk an sensibler Stelle gebaut worden war, konnte ein Zulaufen der Stadt verhindert werden, behielten die Bremerhavener trockene Füße. Nicht auszudenken, wie das sonst ausgegangen wäre!
Spaziergang auf dem Meeresboden
Ist das Wasser komplett weg, könnt ihr tatsächlich auf dem Meeresboden spazieren gehen. Wattlaufen nennen wir das und es ist eine echte Wonne für die nackten Füße und die Waden. Doch – obacht – Günther hat auch damit nicht nur „wunnebare“ Erfahrungen gemacht – wer nicht aufpasst, so seine Warnung, bekommt einen Sonnenbrand. Viel gefährdeter ist aber, wer die Zeit und die Entwicklung des Wassers nicht im Blick hat: Plötzlich ist die Flut wieder da, alles sieht gleich aus, das rettende Ufer ewig weit entfernt. Nicht gut!
Am besten, so der Insidertipp, ihr wandert los, wenn das Wasser abläuft. Dann sollte ausreichend Zeit sein, um die Wattwürmer, Muscheln, Priele und die ganze faszinierende Szenerie zu genießen. Dafür fahrt ihr am besten ins nördliche Umland, denn bei uns ist im Weser-Strandbad höchstens ein Spaziergang möglich.
Schleusen – Schutz und Regulator von Ebbe und Flut
Schleusen begrenzen den Zufluss des Wassers in den Hafen, so die einfache Erklärung von Günter. Tatsächlich sind Schleusen für Bremerhaven überlebenswichtig. Rund 4,5 Meter über NN ist der Stand der Weser bei Hochwasser, nur 7 Zentimeter kann er im Extremfall bei Ebbe liegen. In den Häfen aber muss der Wasserstand gleichbleibend sein, sonst wäre dort kein Schiffsverkehr möglich. Schleusen regulieren den Gleichstand. Will ein Schiff von der Weser in den Neuen Hafen, öffnen sich bei unterschiedlichen Wasserständen die Außentore, die sich dann hinter dem eingefahrenen Schiff wieder schließen. Dann wird Wasser in die Schleusenkammer gepumpt oder abgelassen, das Schiff hebt oder senkt sich und ist der Wasserspiegel des Hafenbeckens ereicht, öffnen sich die Binnentore. Übrigens ein echtes Schauspiel!
Für alle Fans der plattdeutschen Sprache bietet diese Schleuse noch einen echten Leckerbissen: Regelmäßig heißt es dort: „Runner von de Brück“.
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