Als ich 2003 der Arbeit wegen nach Bremerhaven kam, begegnete ich immer wieder erstaunten Blicken – war das nicht die Stadt mit der enorm hohen Arbeitslosigkeit? Warum sollte man denn dorthin ziehen? Ich war neugierig und wurde belohnt. Aber von vorne…
Von Nürnberg in den Norden
Herbst 2002: Nach mehreren Jahren als freie Mitarbeiterin für Museen in Nürnberg und dem Abschluss meiner Promotion in Geschichte bewarb ich mich als Wissenschaftliche Referentin und Museumspädagogin im Historischen Museum Bremerhaven. Im dunklen Novembergrau reiste ich in den Norden und fand ein Museum vor, das mich durch seine helle und klar strukturierte Präsentation historischer Themen sofort ansprach. Ich bekam die Zusage und konnte am 1. April 2003 anfangen – von der fränkischen Bratwurstmetropole an den Weserstrand!
Der Sprung ins kalte Wasser: 2003 Neustart in Bremerhaven
In den ersten Wochen erwarteten mich sofort mehrere Aufgaben, die für mich gelinde gesagt, eine ziemliche Herausforderung waren: Erstellung eines Führungsskripts für die große Sommerausstellung über die Lloyd Werft, Vorbereitung einer kleinen Ausstellung mit archäologischen Funden aus der Wulsdorfer Dionysiuskirche sowie die Planung und Durchführung eines Aktionswochenendes zur Fischparty auf unserem Museumsschiff FMS „GERA“. Mit Feuereifer lernte ich als Fränkin (mit Schwerpunkt Mittelalterliche Geschichte), was ein Helgen ist und wie ein Schiff gedockt wird. Ich las archäologische Fundberichte, schrieb Texte zu den Kirchenfunden und überlegte mir hands-on-Aktivitäten zur Ergänzung der Präsentation der Originale.
Außerdem lauschte ich gebannt den Berichten ehemaliger Hochseefischer über ihren harten Arbeitsalltag. Ich lernte Palstek und Co. und versuchte mich immer wieder erfolglos am Netzstricken. Da wurden Erinnerungen an den von mir ungeliebten Handarbeitsunterricht wach. Meine mühsamen Versuche ernteten nur ein Kopfschütteln und den Kommentar: „Das ist ein Seemannsverzweiflungsknoten“. Die Vorführung mit Netznadel und Netz für Besucher*innen überließ ich daher doch lieber den Profis.
Zwischen Objekten und Projekten: Mein Arbeitsalltag
Diese ersten Wochen waren typisch für meine Stelle. Da wir ein kleines Team sind, umfasst meine Tätigkeit eine Vielzahl völlig verschiedener Aufgaben: Dazu zählt wissenschaftliches Arbeiten, d.h. Recherchieren und Verfassen von Texten für Ausstellungen und Beantwortung von Anfragen. Ich plane unser Veranstaltungsprogramm, organisiere öffentliche Führungen, bereite Aktionstage im Museum und auf unserem Museumsschiff FMS „GERA“ vor und führe diese auch durch.
Im Bereich Öffentlichkeitsarbeit verfasse ich Pressemitteilungen, bearbeite Medienanfragen und kümmere mich mit den Volontärinnen um unseren Facebook-Account. Als Museumspädagogin erarbeite ich Ideen für museumspädagogische Angebote für Schulklassen und Kinder in den Ferien, betreue unsere freien Mitarbeiter*innen und beteilige mich an den stadtweiten Projekten „Sommerschule Wasser“ und „Tag der Stadtgeschichte“.
Daher ist auch kein Arbeitstag wie der andere. Genau diese Mischung an unterschiedlichen Aufgaben mag ich an meiner Stelle. Ich habe sehr gerne Geschichte studiert und finde die komplexe Entwicklung Bremerhavens immer wieder spannend. Eigentlich wollte ich Lehrerin werden. Im museumspädagogischen Bereich kann ich nun meine Freude an der Vermittlung ausleben. Museumsarbeit ist für mich immer auf unsere Besucher*innen ausgerichtet. Wir sammeln, forschen und bewahren, um jetzt und in Zukunft eine Beschäftigung mit der Vergangenheit zu ermöglichen. Und Museum und Geschichte sind NICHT langweilig! Einziger Nachteil bei der Bandbreite meiner Arbeit ist, dass ich mich nicht so detailliert mit einzelnen Aspekten beschäftigen kann und immer überlegen muss, was jetzt gerade am wichtigsten ist.
2020: Ein außergewöhnliches Jahr
Und dann kam 2020 Corona…. Auch bei uns im Historischen Museum hat sich dadurch vieles geändert. Mit dem ersten Lockdown waren über Wochen keine Besucher*innen im Haus. Wir haben uns eingeigelt und uns weiterhin um unsere Sammlung und Ausstellung gekümmert. Als wir im Mai nach dem ersten Lockdown endlich wieder öffnen durften, hieß es, mit den Kolleg*innen ein Hygienekonzept zu erstellen. Wir organisierten unter den aktuellen Bedingungen eine Reihe von Führungen und Ferienprogramme für den Sommer und Herbst. Und immer wieder die aktuelle Rechtsverordnung und Allgemeinverordnung studieren und prüfen, wie viele Menschen sich denn nun treffen dürfen und unter welchen Bedingungen. Insgesamt waren nur wenige Veranstaltungen möglich. Viele schöne Konzerte, Führungen und Begegnungen mussten wir leider absagen. Die letzten Monate haben wir genutzt, um unsere Facebook-Aktivitäten auszubauen und präsentieren inzwischen auf unserer Homepage unter anderem einen stetig wachsenden Einblick in unsere umfangreiche Sammlung. Ich arbeite immer wieder im Home Office und bin im Home Schooling für meine beiden Kinder im Einsatz.
Bremerhaven: Raue Schale, weicher Kern
Als ich 2003 nach Bremerhaven kam, war zwischen Columbus-Center und Weser eine Brachfläche. Es gab viele negative Kommentare über die Stadt. Ich durfte miterleben, wie sich das Gesicht Bremerhavens in den letzten Jahren mit vielen baulichen Maßnahmen geändert hat und immer mehr Tourist*innen die Seestadt entdecken. Schade finde ich es, dass das Umfeld rund um unser Historisches Museum nicht so viel Beachtung findet. Eigentlich ist die Lage an der Geeste sehr reizvoll. Hier würde ich mir wünschen, neben den Havenwelten noch ein zweites Innenstadtareal zu beleben – mit dem Historischen Museum als Ort der Begegnung für die Stadtgesellschaft.
Entscheidend für mich sind jedoch die Bremerhaven*innen. Von Anfang an habe ich hier viele nette und interessante Menschen kennengelernt, die mir in ihrer direkten norddeutschen Art sofort sympathisch waren. Beeindruckt hat mich außerdem immer das große kulturelle Engagement vieler, die sich seit Jahrzehnten mit spannenden Projekten und Ideen einbringen und dadurch der Seestadt mit dem rauen Charme eine besondere Note verleihen.
Klaus Krause
Ich bin aus beruflichen Grund den entgegengesetzten Weg gegangen.
In Bremerhaven geboren, aufgewachsen und auf einer Werft das Schlosserhandwerk gelernt. Nach Abschluss eines Maschinenbaustudium ging ich zu Siemens nach Erlangen und habe mehrere Jahre in Nürnberg gewohnt. Dort habe ich 1973 meine Frau kennen gelernt.
Da wir heute wieder in Norddeutschland (nahe Hamburg) wohnen, besuche ich häufiger Bremerhaven und die dortigen Museen.
Kerstin Ras-Dürschner
Lieber Herr Krause, vielen Dank für den netten Kommentar. Das Leben ist einfach spannend! Herzliche Grüße aus Bremerhaven! Kerstin Ras-Dürschner