Simon Vöhringer gibt Einblicke in seine Arbeit als studentischer Mitarbeiter im Deutschen Schifffahrtsmuseum. Eineinhalb Jahre lang hat er an der neuesten Sonderausstellung „SEH-STÜCKE – Maritimes digital entdeckt“ gearbeitet.
Das Internet und die Digitalisierung bieten uns Möglichkeiten, die wir uns noch vor ein paar Jahrzehnten kaum vorstellen konnten. Auch Museen betreten stets neue, digitale Räume und erfinden sich und die Wissensvermittlung immer wieder neu. Digitale Ausstellungen, 3D-Rundgänge, KI-erstellte historische Persönlichkeiten und vieles mehr sind in Museen auf der ganzen Welt bereits Realität. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte bewegt sich ebenfalls schon länger im digitalen Raum.
Warum benötigen wir digitale Museen?
Digitale Projekte in Museen sind von vielen Herausforderungen geprägt, die physische Ausstellungen nicht innehaben. Spezielles Wissen, technische Limits und Dateigrößen sind nur einige Aufgaben. Ebenfalls fallen Kosten an, die eine klassische Schau nicht verursacht.
Da entsteht die Frage, warum Museen nicht ausschließlich physische Ausstellungen entwickeln? Weil die Pros die Cons bei Weitem übertrumpfen. Die Digitalisierung bietet neue Forschungsmöglichkeiten, spannende Aufbereitung von Objekten, einen engeren Bezug zu Exponaten, eine größere Reichweite und vieles mehr. Nicht in die Digitalisierung zu investieren, wäre eine verpasste Möglichkeit. Museen müssen relevant bleiben und dies geschieht nur, wenn man mit der Zeit geht! Die größten Hürden dabei sind Kosten und der Wille, neue Wege zu gehen. Ich bin froh, dass das DSM ein Budget für Innovationen bereitstellt und der Mut vorhanden ist, Neues auszuprobieren.
Arbeit mit Digitalisaten als Geschichtsstudent
Unsere Seh-Stücke-Ausstellung basiert auf einem Forschungsprojekt des DSMs, des MAPEX Center for Materials and Processes der Universität Bremen und des Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM). In diesem Projekt wurden über 60 Objekte aus der Sammlung des DSM digitalisiert und mit Hilfe des MAPEX in hochauflösende Röntgenbilder aufgenommen.
Die Schau ist in einen physischen und einen digitalen Teil unterteilt. Dabei steht in der physischen Ausstellung noch ein Touch-Bildschirm, auf dem das digitale Element zu sehen ist. Die digitale Schau hatte den Anspruch, alleine zu stehen und gleichzeitig die physische Ausstellung zu ergänzen. In beiden Bereichen können sich die Besucher:innen die neuen Erkenntnisse anschauen, die wir mit dem Röntgenverfahren herausgefunden haben. Die komplizierten Funktionsweisen von technischen Exponaten, wie einem Chronometer oder einem Barometer, sind mit Hilfe von digitalen 3D-Modellen leicht zu verstehen. Und anhand von Röntgenbildern können wir euch Neues über das Herstellungsverfahren von vielen Objekten zeigen.
Als Historiker im Werden habe ich selbstverständlich die klassischen Aufgaben im Museum übernommen. Hier möchte ich darüber sprechen, wie ich den digitalen Bereich der Ausstellung aufgebaut und das bestehende Konzept angepasst habe. Das ist nicht mein Spezialbereich, aber Museumsarbeit heißt Vielseitigkeit und sich immer an neuen Sachen auszuprobieren!
Die erste unerwartete Frage war, welches Programm wir benutzen. Kein Museumsprojekt ist gleich (wäre ja auch langweilig) und bereits benutzte Programme entsprachen nicht unseren Ansprüchen. Entweder boten sie nicht alle gewünschten Funktionen oder hatten unpassende Designs. Ein spezifisches Programm entwickeln zu lassen, hätte das Budget sowie den zeitlichen Rahmen gesprengt. Nachdem wir uns für den Anbieter Pageflow entschieden hatten, begannen jedoch erst die Herausforderungen.
Jedes Objekt ein Unikat
Jedes Objekt war so individuell. Der ursprüngliche Plan, alle Objekte nach einem einzigen Schema zu gestalten, stellte sich schnell als unmöglich heraus. Jedes Exponat wurde bewertet und in eine von vier Kategorien eingeteilt. Diese Kategorien basierten auf den Funktionen Pageflows, den Informationen der Exponate sowie der Qualität der Röntgenaufnahmen. Die Objekte und Anwendungen durften dabei die Datenmenge nicht übersteigen, sonst dauert das Aufrufen der Webseite zu lange. Die Exponate sind unabhängig von den Kategorien in drei übergeordnete Gruppen eingeteilt. Aus diesem Grund musste ich drei separate Pageflow-Projekte kreieren und eine Möglichkeit finden, alles miteinander zu verknüpfen. Dafür erstellte ich noch ein viertes Projekt. Auch konnte ich Wege finden, wie man per Mausklick wieder auf die Startseite gelangt. Klassische Links mit Text konnten oft nicht angewendet werden.
Liebgewonnenes Barometer
In meiner Lieblings-Kategorie verwenden wir 3D-Modelle für die Exponate. Sie bringen die Objekte den Besucher:innen am nächsten und schwierige Funktionen können leicht erklärt werden. Der Aufwand war jedoch mit Abstand am größten.
Für jedes Objekt habe ich zunächst eine standardisierte Anfangsseite erstellt. Links steht der Text mit weiteren Informationen und rechts das Objekt. Hier spezifisch zu sehen ist das Barometer von 1920 bis 1930. Es befindet sich in der Gruppe „Geräte: Orientieren und Messen“, in der sich die technisch komplizierten Objekte befinden. Die dunkle Farbe des Etuis erschwerte es, die richtige Position auf der Webseite zu bestimmen. Der Text wäre unlesbar, wenn er über dem Objekt liegt. Das Bild hatte nicht genug Rand und ich musste diesen künstlich erweitern. Einen Fotografen nochmal zu beauftragen, wäre zu teuer gewesen.
Nach der Startseite habe ich für jedes Objekt mindestens eine zusätzliche Seite erstellt, auf der das Digitalisat in einer bestimmten Form dargestellt wird; in diesem Fall als 3D-Modell. Wir hätten das Modell gerne direkt auf Pageflow gezeigt, aber diese Funktion besitzt Pageflow nicht. In einem Hackathon wurde das 3D-Objekt des Barometers erstellt und unsere Digitalisierung-Abteilung optimierte dieses Projekt in einer passenden Dateigröße. Die einzelnen Bauteile sind zu sehen und ein Klick auf die schwarzen Punkte erklärt die Anwendung und Funktion im Detail. Es ist leicht zu verstehen, wie der Luftdruck auf das Innenleben des Barometers wirkte und sich dadurch die Position der Nadel veränderte. Es macht Spaß, die Objekte selbst anzuschauen und digital zu erkunden.
Zukunft Museum
Die weiteren Kategorien waren Videos, sogenannte Hotspots, die einzelne Erkenntnisse an den Röntgenbildern genauer beschreiben und Vorher/Nachher-Bilder, die den Wandel von physischem Objekt zu Digitalisat zeigen.
Persönlich hat mir die Arbeit im DSM nur noch mehr Lust gemacht, weiter in Museen zu arbeiten. Die Herausforderungen waren spannend und vielseitig. Darüber hinaus bereitete mich die Zeit ebenfalls auf eine Zukunft in Museen vor, die ich als unausweichlich sehe. Die Skills, die ich mir in der Zeit aneignen konnte, werden mir noch in den nächsten Jahrzehnten sicherlich helfen. In jedem Fall lohnt es sich, die Ausstellung digital zu besuchen und ganz klassisch mit einem Besuch vor Ort zu ergänzen. Wer dann noch Lust auf mehr Digitales hat, wird auf der Website auf jeden Fall fündig.
kjg
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