Persönliche Einblicke in die Bio-Karte des „Speisesaals“
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Persönliche Einblicke in die Bio-Karte des „Speisesaals“

Chefkoch Thorsten Gühlke kreiert köstliche Gerichte im Museumsrestaurant „Speisesaal“ – ökologisch, regional, nachhaltig. Eine Weile hat es schon gedauert. Doch nun ist Küchenchef Thorsten Gühlke […]

Außenfassade Deutsches Auswanderhaus.
18. Juli 2022
5 min Lesezeit
Eine Tasse Tee mit Zitrone und Minze, daneben ein Teller mit Linseneintopf

Chefkoch Thorsten Gühlke kreiert köstliche Gerichte im Museumsrestaurant „Speisesaal“ – ökologisch, regional, nachhaltig.

Eine Weile hat es schon gedauert. Doch nun ist Küchenchef Thorsten Gühlke zufrieden. Seit Frühjahr 2022 bietet sein Museumsrestaurant am Neuen Hafen Bio-Gerichte an. Und noch besser: darf sie auch so nennen. Denn das beliebte Restaurant „Speisesaal“ im Migrationsmuseum Deutsches Auswandererhaus hat eine Biozertifizierung nach DE-ÖKO-006. Was sich hinter dem Kürzel verbirgt und wie es dazu kam, verrät mir Thorsten, während ich seine Gerichte koste.

Alle fünf Minuten bringt er eine neue Kreation aus der Küche. Ich bin fasziniert, mit welcher Liebe fürs Detail er kleine Chillischoten in Babyspinat steckt, Kapern auf Königsberger Klopsen platziert. Draußen ist stürmisches Frühlingswetter. Die Wolken ziehen schnell vorbei und drinnen duftet es nach Kräutern, dampft die Suppe und zischt die Buttersoße.

Zuerst probiere ich Ziegenkäse in feiner Tomatensauce. Der Rucola gibt dem Gericht eine angenehme Frische. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Mehr als ein Trend

Vom Kichererbsen-Koriander-Eintopf über die Blumenkohl-Fenchel-Suppe bis zum Curryhuhn – die Lebensmittel für diese Speisen stammen ausschließlich aus ökologischem Anbau. Und der unterliegt strengen Kontrollen. Auch die Haltung der Tiere, der Einkauf und die Lagerung muss getrennt von herkömmlichen, konventionell hergestellten Lebensmitteln erfolgen. So komme es auch, dass viele Nicht-Biogerichte auf der Karte trotzdem zu Teilen Bio sind, erklärt mir der leidenschaftliche Koch: „Es würde keinen Sinn ergeben, Bio-Eier und Nicht-Bio-Eier einzukaufen.“ Und schließlich dürfen Karotte, Lauch und Zwiebel bei der Verarbeitung in der Küche nicht mit Nicht-Bio-Lebensmitteln in Kontakt kommen. Dies alles garantiert das Gütesiegel.

Die Farben von frischen Kräutern und Kresse begeistern mich. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Bio aus Erfahrung

Warum der „Speisesaal“ sich überhaupt diesen strengen Kontrollen unterzieht und das Bio-Zertifikat erworben hat? Thorsten beobachtet seit einigen Jahren einen starken Qualitätsverlust bei konventionell hergestellten Produkten. Vieles sei gestreckt, schmecke nicht mehr wie früher. Daher sei Bio nicht nur ein Trend, sondern wirklich ein Weg der Veränderung, weg von Massentierhaltung und Monokultur.

Seit 2006 arbeitet Thorsten als Koch – sein Handwerk hat er vor mehr als 15 Jahren in ebenjener Küche gelernt, in der er 2017 zum Chefkoch aufstieg und nun die Bio-Kreationen zusammenstellt. Die langjährige Arbeitserfahrung im Bremerhavener Museumsrestaurant ließ ihn immer mehr zur Überzeugung gelangen: „Wir müssen ökologischen Anbau in unserem Hause unterstützen. Im Sinne der Nachhaltigkeit, aber auch im Sinne der Qualität.“

Kürbiskerne verleihen der Blumenkohl-Fenchel-Cremesuppe einen angenehmen Biss. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Ein Hang zu Gemüse

Die Speisekarte besteht zur Hälfte aus fleischhaltigen Gerichten, zur anderen aus vegetarischen und veganen. „Es war uns sehr wichtig, eine ausgeglichene Karte anzubieten“, unterstreicht der Koch. Das Restaurant geht hier mit der Zeit, denn Bio heißt meist auch weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse und andere nahrhafte Lebensmittel wie Kichererbsen und Linsen.

Auch ich bin seit langem Fan von vegetarischen Gerichten. Thorsten bringt mir gerade einen Kichererbsen-Eintopf, auf dem saftig-grüne Spinatblätter liegen. Genau mein Geschmack. Ich freue mich darüber, dass Hülsenfrüchte in unserer europäischen Küche immer wichtiger werden. Sie schmecken einfach knackig und machen angenehm satt. Gleichzeitig frage ich mich, wo und wie sie wohl angebaut werden? Thorsten erklärt mir, dass sie von weit her über den Hafen importiert würden – aus Indien und der Türkei.

Linseneintopf gibt mir Kraft und schmeckt, besonders mit diesem Matzen-Brot. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Die Rezepte für die neuen Bio-Gerichte haben Thorsten und sein Team in längeren Kostproben fein abgeschmeckt, sodass genau die ideale Menge Zitrone, Koriander oder Kurkuma an die Speisen kommt. Liebevoll drapiert er ein Minzblatt auf dem Creme-Fraiche-Töpfchen, das es zum Kichererbsen-Eintopf gibt, und Mangostreifen auf dem Hühner-Curry.

Mit dem Essen per Du

Mango und Kichererbsen aus eigenem Anbau – das ist in Norddeutschland schlicht nicht möglich. Dennoch heißt Bio für den „Speisesaal“: Die Wege möglichst kurz halten. Zu 80 Prozent bezieht das Restaurantteam die Lebensmittel aus regionalem Anbau. Das Fleisch kommt von der Metzgerei Cuxland Pur aus Hemmoor, knapp 50 Kilometer vom Bremerhavener Auswandererhaus entfernt. Gerade mal eine halbe Stunde Fahrtzeit, bis es von Thorstens Team zubereitet werden kann. Der 1996 gegründete Familienbetrieb arbeitet mit drei Bio-Landwirten aus der Region zusammen, die ihm Galloway-Rinder, Hühner und Schweine liefern. All das weiß Thorsten über seine Lebensmittel. Ich finde das beeindruckend und stelle fest, wie wenig ich eigentlich über die Herkunft von meinem Lauch oder Käse im Kühlschrank weiß.

Das Bio-Gemüse im „Speisesaal“ dagegen kommt vom Naturkost Kontor Bremen, einem Bio-Großmarkt mit Verbund-Bauernhöfen in maximal 80 Kilometer Umkreis. Ich merke, wie viel näher ich mich dem Essen fühle und wie viel besser es mir schmeckt, wenn ich weiß, dass es durch das gleiche Sonnenlicht gereift ist, das mir gerade auf den Teller strahlt.

Bei Bio-Fleisch greife ich sehr gerne zu: frischer Rote-Beete-Salat und Kapern runden die Salzkartoffeln mit den Klopsen wunderbar ab. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Bio vor der Haustür

Doch es geht noch unmittelbarer. Thymian, Minze und Rosmarin wachsen sogar einen Katzensprung entfernt. Zwischen Café-Terrasse und Hafenbecken baut das Restaurant seit einigen Jahren selbst Weintrauben, Gemüse und Kräuter an. Die Hochbeete bieten Insekten Nahrung. Und so manches Minzblatt landet im hausgemachten Tee, der aber nur „inoffiziell“ Bio ist.

Thorsten ist überzeugt: „Die Zukunft ist 100 Prozent Bio“. Doch das würde flächendeckend regionale und vor allem saisonale Kost bedeuten. Als Koch und Küchenchef arbeitet er mit an diesem ehrgeizigen Ziel. „Ich sehe mich hier durchaus als Aktivist“, lacht er. „Doch noch ist unsere Speisekarte bunt gemischt und für jeden Geschmack etwas dabei“, fügt er hinzu, während er zum Abschluss einen Minztee serviert. Meinen Geschmack treffen die neuen Biogerichten auf jeden Fall. Ich danke Thorsten für die feine Kostprobe und kann sie allen Liebhaber:innen ökologischer Lebensmittel, aber auch allen neugierig Gewordenen nur wärmstens empfehlen.

Seit vielen Jahren arbeitet Thorsten im „Speisesaal“ und hat seit langem eine Leidenschaft für Bio-Essen. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Camilla Lopez

Camilla Lopez, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven

[bre_box title=“Speisesaal im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ title_color=“#FFFFFF“ radius=“5″]Columbusstraße 65, 27568 Bremerhaven
Tel.: 0471 / 90 22 0 – 121
Montag bis Sonntag: 12:00 Uhr – 18:00 Uhr
sowie nach Vereinbarung
Sonderöffnungszeiten, Speisekarte und Kombi-Angebote mit Museumsbesuch:
www.dah-bremerhaven.de/speisesaal
[/bre_box]

Außenfassade Deutsches Auswanderhaus.
Auswandererhaus Gastautor*in

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