Kunst und Kultur in Zeiten von Corona? Der Shutdown stellt auch das Kulturbüro Bremerhaven vor neue, nie geahnte Herausforderungen. Er ermöglicht aber auch neue Wege! Die Plattform „AUS-EIN-ANDERS“ ist einer davon.
In diesem Blogbeitrag möchte ich die zwei neuen Gesichter des Kulturbüros, Marie Garms und Robert Worden, vorstellen. Ich spreche mit ihnen – natürlich per Webcam und im sicheren Abstand – über ihren Einstieg in die Kulturbüro-Arbeit und darüber, wie sie auch mitten im allgemeinen Shutdown neue Räume für Kreative eröffnen: Kunst und Kultur zum Mitmachen!
Kulturbüro Bremerhaven
Aber erst einmal von vorne. Wer oder was ist das Kulturbüro Bremerhaven und wozu ist es da?
Das Kulturbüro ist Teil des Kulturamts Bremerhaven und engagiert sich schon seit 25 Jahren in der Stadtteilarbeit. Es organisiert viele soziokulturelle Veranstaltungen in allen Stadtteilen Bremerhavens. Vom südlichen Geestemünde bis ins nördlich gelegene Lehe. Ob großes maritimes Open-Air-Kino, mit dem wegweisenden Titel „Kino im Hafen“, oder das „Theatrale Lichterspektakel“ – womit nur zwei große Veranstaltungen genannt sind. Hinter dem Motto des Kulturbüros „Aus Prinzip Vielfalt“ stehen noch viele weitere große und kleine Veranstaltungen und Initiativen, die das Kulturbüro im Laufe der Jahre auf die Beine gestellt hat.
Zwei Urgesteine gehen
Mit dem Kulturbüro wurden in Bremerhaven bisher vor allem zwei Menschen verbunden: Bernd Glawatty und Jochen Hertrampf. Seit Februar ist Jochen Hertrampf, der „Hans Dampf der Stadtteilkultur“, wie ein Abschiedsartikel des Sonntagsjournals ihn liebevoll betitelt, nach langjährigem, engagierten Einsatz im wohlverdienten „Unruhestand“. Auch Bernd Glawatty, der Kapitän vom „Kino im Hafen“, ist nur noch wenige Wochen an Bord des Kulturbüros. Seinen Kurs verliert das Kulturbüro dadurch nicht, denn Marie Garms und Robert Worden übernehmen Jochen Hertrampfs Stelle.
Neue Köpfe, aber keine Neulinge
Sie sind zwar die neuen Köpfe im Kulturbüro, aber absolut keine Neulinge, was die vielfältigen Arbeitsfelder des Kulturbüros angeht. Beide haben schon mit dem Kulturbüro zusammengearbeitet und sich bereits 2016 bei der KinderKulturAkademie kennengelernt. Die KinderKulturAkademie ist ein Ferienprogramm des Kulturbüros, in dem sich Kinder in verschiedenen Künsten ausprobieren können.
Marie …
Marie ist gebürtige Bremerhavenerin und hat in Vechta Kultur- und Sozialwissenschaften studiert. Sie stieß bei einer ersten Recherche nach einem geeigneten und interessanten Praktikum auf das Kulturbüro. „Google hat’s gemacht“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Bereits während ihres Studiums war ihr klar, dass sie wieder zurück nach Bremerhaven möchte, zu groß war die Sehnsucht nach der Küste. „Eigentlich war ich nie wirklich weg“, scherzt sie.
und Robert
Robert Worden stammt aus den USA und ist als Künstler und Eventmanager schon viel herumgekommen. Er hat mehrere Jahre in San Francisco und zuletzt in Berlin gearbeitet. 2011 wird er nach Bremerhaven geholt, um Kunst- und Kulturaktionen für die Alte Bürger zu entwickeln. Er spricht von anfänglich größerem Leerstand und Lichtinstallationen und wie er, auch durch Jochen Hertrampf, immer weiter Kunstveranstaltungen in Bremerhaven konzipiert und begleitet. Das Pendeln zwischen Berlin und Bremerhaven ist auf die Dauer aber anstrengend. Irgendwann kam dann die Erkenntnis: „Bremerhaven ist so cool und Berlin ist irgendwie so groß“ – ein Umzug folgte, eine Entscheidung, die er zu einer seiner besten zählt.
Videogespräch mit Kaffee
Normalerweise würde ich Marie und Robert auf einen Kaffee treffen, um mit ihnen über ihren Arbeitsstart im Kulturbüro, Kunst und Kultur in Bremerhaven, vielleicht auch über Gott und die Welt zu plaudern. Vielleicht in einem Café in der Alten Bürger, wo beide wohnen oder im Dienstleistungszentrum Grünhöfe, wo das Kulturbüro zuhause ist. Gerade gibt es aber kein „normalerweise“ und so verabreden wir uns, wie so viele Menschen zurzeit, zu einem Videogespräch. Weniger herzlich und interessant ist das Gespräch dadurch keineswegs. „Schön dich wiederzusehen“ begrüßt mich Robert herzlich und auch Marie schaltet sich winkend und lächelnd in das Gespräch ein. Und natürlich darf auch bei einem 10 Uhr-Gespräch vorm Laptop der Kaffee nicht fehlen!
Die ersten Arbeitswochen
Dass ihre ersten Arbeitswochen nun ausgerechnet in die Corona-Krise fallen, war vorher nicht abzusehen. „Der Anfang war eigenartig“, sagt Robert lachend. Die ersten zwei Wochen haben sie sich Zeit genommen, um sich einzugewöhnen. Marie hatte schon damit gerechnet, dass es am Anfang etwas Zeit braucht, um sich in die bestehenden Arbeitsstrukturen einzufinden und Kontakte zu knüpfen. Aber dass jetzt fast alle Kulturveranstaltungen abgesagt werden müssen, geht nicht spurlos an ihnen vorüber. Nach der anfänglichen Schockstarre setzt bald ein Umdenken ein und auch sie überlegen, wie viele andere Kunst- und Kulturschaffende in diesen Tagen, neue Wege zu gehen und neue Ideen auszuprobieren. „Eine Challenge“ findet Robert, aber auch spannend.
Einer dieser neuen Wege des Kulturbüros ist die digitale Plattform „AUS-EIN-ANDERS“. Es soll ein Zeitzeugendokument, ein „künstlerisches Ventil“ sein, welches die aktuelle Zeit in Kunstbeiträgen festhält.
„AUS–EIN-ANDERS“ wird ins Leben gerufen
Aus-ein-anders? Das klingt wie auseinander und anders. Anders Auseinandersein also? Ich bin neugierig und rufe die Seite bereits direkt nach ihrer Veröffentlichung auf. Farblich in Grün gehalten, gibt es zu Beginn natürlich noch sehr wenige Beiträge. Mittlerweile blicke ich auf eine Seite mit Bildern von real und fantastisch anmutenden Landschaften, Videos von tanzenden und singenden Menschen und Konzertmitschnitten. Ein Foto mit der herzverzierten Aufschrift „Solokabinen ohne Aufpreis!“ springt mir sofort ins Auge. Wo befinden sich nur die Solokabinen ohne Aufpreis? Ein Klick weiter schenkt mir ein Gedicht zum Foto und klärt mich nebenbei auf: im Rotlicht-Milieu, in Bremerhaven-Lehe.
Bisher können die Besucherinnen und Besucher der Plattform vor allem Kunst aus Bremerhaven bestaunen, es gibt aber auch überregionale Beiträge. Auch „Auf-ein-anders“ macht nicht an den Stadtgrenzen von Bremerhaven halt. Dabei ist das Projekt für alle Kunstformen im digitalen Gewand und Stimmungen, die uns in diesen „turbulenten“ Zeiten ergreifen, offen.
„AUS-EIN-ANDERS“ – eine Plattform für alle
Aktuell haben Künstlerinnen und Künstler anlog keine Chance ihre Kunst der Öffentlichkeit vorzustellen. So soll „AUS-EIN-ANDERS“ eine Plattform für Kunst- und Kulturschaffende sein und die Möglichkeit bieten, sich zumindest digital zu präsentieren, erklärt Marie. Beim Stöbern durch die digitale Kunst verweisen Links zur Website und zu den bespielten Social-Media-Kanälen der Kunst- und Kulturschaffenden. Dabei sollen keineswegs nur fertige, „perfekte“ Kunstwerke gezeigt werden. Robert findet es gerade spannend, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, am Prozess teilzuhaben, Entwicklungen zu beobachten.
Dabei ist „AUS-EIN-ANDERS“ keineswegs nur eine Plattform für Künstlerinnen und Künstler, viel mehr sind alle dazu eingeladen, etwas einzureichen, die Lust haben kreativ zu sein. Marie bringt es auf den Punkt: „Man muss kein Profi sein, man muss Spaß an der Sache haben.“ Auch soll die Plattform die Entwicklungen und Ideen der Kultureinrichtungen Bremerhavens sammeln, vernetzen und für alle kostenlos auf einen Klick und Blick sichtbar machen. Somit ist „AUS-EIN-ANDERS“ ein weiterer Wegbereiter für die vom Kulturamt 2019 gestartete „Reise zur Seele der Stadt“.
„Ein Glas voll Glück“
Auch soll „AUS-EIN-ANDERS“ wieder eine Verbindung in die analoge Welt herstellen. Während des Gesprächs merke ich immer wieder, dass es den beiden ein echtes Anliegen ist, im Rahmen der geltenden Kontakteinschränkungen, Kunst zu den Menschen und Menschen zum Kunstmachen zu bringen.
Marie arbeitet gerade für den Kultursommer Süd an einer Projektidee mit dem Namen „Ein Glas voll Glück“. Hier können Kinder ihre Wünsche in ein Glas hineinbasteln. Die Glücksgläser sollen dann im Rahmen des Kultursommers Süd ausgestellt werden. Auch auf „AUS-EIN-ANDERS“ sollen sie im digitalen Format bestaunt werden können. Hier findet das Analoge aus Bremerhaven wieder seinen Weg in die digitalen Weiten der Welt. Gerade heckt Marie Pläne aus, wie die Bastelmaterialien den Kindern kontaktfrei zur Verfügung gestellt werden können, um möglichst viele Kinder in Bremerhaven zu erreichen. Glücksgläser – eine tolle Idee! Auf die Frage, welche Altersgruppe mit der Aktion angesprochen werden soll, fühle auch ich mich gemeint: „Von Null bis ‚Ich hab Interesse daran‘“.
Umdenken, Mitdenken, Zusammendenken
Auch Robert denkt mit Blick auf den Leher Kultursommer im September über Kunstaktionen nach, die im kleinen Kreis entstehen, aber ein größeres Publikum erreichen. Gerade weil jetzt noch unklar ist, unter welchen Auflagen (größere) Kulturveranstaltungen nach August stattfinden können, sprechen Marie und Robert bereits jetzt über unterschiedliche Formate. Beide tun das am liebsten im direkten Austausch mit den Stadtbewohnerinnen und -bewohnern aller Generationen, mit allen Kunst- und Kulturschaffenden, weil so „viel mehr Ideen kommen“ und neue Wege erdacht werden können. Die aktuelle Situation erfordert von Veranstaltern noch intensiveres Planen und geradezu logistische Höchstleistungen. Doch die beiden begegnen dem mit humorvollem Optimismus: „Wir mögen Herausforderungen“, scherzt Marie.
Die Begeisterung der beiden ist – im besten Sinne – ansteckend und ich möchte sofort mein „Glas-voll-Glück“ basteln, bekomme große Lust für „AUS-EIN-ANDERS“ kreativ zu werden und denke dabei an all die unausgereiften Ideen und die Ideen, die ich schon längst wieder verworfen habe. Wie sieht es bei euch aus? Seid ihr aus-ein-anders? Seid ihr dabei?
geschrieben von Saskia Mosler
Marion Mosler
Liebe Bremerhaver Kulturschaffenden, ich bin begeistert und beeindruckt von den vielfältigen Ideen uns Aktionen in dieser besonderen Zeit. Mein Lebensmittelpunkt befindet sich in Bremen, Bremerhaven am Rande meiner Wahrnehmung. Daa hat sich geändert, ich habe Lust auf ME(E)HR Bremerhaven bekommen. Danke für den eindrucksvollen Einblick, für Eure engagierte Arbeit. Ich bewundere die Künstler und Kulturschaffenden für ihre Zuversicht, ihre Kreativität, ihren Optimismus!
Annika Jaeger
Liebe Marion Mosler,
vielen Dank für Ihren positiven Kommentar. Wir freuen uns immer, wenn Menschen Lust haben, unsere schöne Seestadt zu entdecken.