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An Bord ist „Der Alte“ keine Krimiserie

Zugegeben, manche Begriffe, die hier im hohen Norden zu hören sind, lassen stutzig werden. Gleichwohl ist manche Redewendung nicht nur verwirrend, sondern klingt auch noch […]

Tanja mit ausgebreiteten Armen vor der Weser
5. Apr. 2018
5 min Lesezeit
Museumshafen mit Schiffen.

Zugegeben, manche Begriffe, die hier im hohen Norden zu hören sind, lassen stutzig werden. Gleichwohl ist manche Redewendung nicht nur verwirrend, sondern klingt auch noch unhöflich. Wer möchte schon gern mit „Der Alte“ betitelt werden? Aber ihr werdet sehen, im Grund ist es eine Ehrbezeichnung. Damit ihr nicht nur „Bahnhof“ versteht, hier ein paar der gängigsten Begriffe .

Alles von A bis Z

Wer bei „Der Alte“ an eine berühmte Krimiserie oder einen betagten Mann denkt, hat weit gefehlt. Bei uns im Norden ist „der Alte“ nämlich der Kapitän eines Schiffes und somit der wichtigste Mann an Bord. Und selbst wenn sich dessen Frau „auftakelt“, ist damit in der Seemannssprache gemeint, dass alle zur Takelage eines Schiffes gehörenden Teile befestigt werden. Auch wirft er kein „Auge“ auf eine andere Frau, denn so wird lediglich die Schlinge in einer Leine genannt. An Bord wird auch niemand unangemeldet „aufkreuzen“, denn das bedeutet, dass scharf am Wind hin- und hergefahren wird.

Poller zum Festmachen der Schiffe.
Poller. Foto: Tanja Albert

Wo ist was an Bord?

An „Backbord“ befindet sich mitnichten die Backstube, sondern damit wird die in Fahrtrichtung linke Seite eines Schiffes bezeichnet. Nachts brennt hier ein rotes Licht. Die rechte Seite eines Schiffes heißt „Steuerbord“. Diese wird nachts mit einem grünen Licht versehen. Wer hinter einer „Bank“ eine Sitzgelegenheit vermutet, wird enttäuscht werden, denn der Begriff steht für eine Untiefe bzw. eine Sandbank. Ist von einer „Bucht“ die Rede, braucht ihr keine Ausschau nach Land zu halten, da dies einfach eine U-förmige Schlinge im Tau ist.

Galionsfigur am Bug der "Seute Deern".
Seute Deern. Foto: Tanja Albert

Das leibliche Wohl

Wem bei dem Wort „Besteck“ gleich das Wasser im Munde zusammenläuft, dem wird weiter der Magen knurren. Beim Besteck handelt es sich um Hilfsmittel zur navigatorischen Kartenarbeit, bestehend aus Navigationsdreieck, Anlegedreieck, Spitzzirkel, weichem Bleistift und Radiergummi. Und bei „Labskaus“ handelt es sich, auch wenn das Gericht auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig erscheint, um eine Spezialität, bestehend aus Corned Beef, Zwiebeln, Kartoffeln, Roter Bete, das mit Gewürzgurke, Spiegelei und Rollmops serviert wird. Ihr solltet es wirklich mal probieren. Dieses Gericht kann übrigens jeder gute „Smut“, der Koch, zubereiten. Gespeist wird dann gemeinsam in der „Messe“, was also nichts mit einem katholischen Gottesdienst zu tun hat. Übrigens gehen die Kalender anders an Bord eines Schiffes, denn der „Seemannssonntag“ findet traditionell an einem Donnerstag statt. An solchen Tagen wird ein besonders gutes Essen oder ein leckerer Kuchen zubereitet und gereicht.

Sonnenuntergang über dem Hafen.
Sonnenuntergang über dem Neuen Hafen. Foto: Tanja Albert

Das Wasser kommt und geht

Mit „Ebbe“ bezeichnet man neben dem niedrigsten Wasserstand umgangssprachlich auch ein leeres Portemonnaie. Das Gegenteil, der höchste Wasserstand, ist die „Flut“ und beides zusammen bzw. das abwechselnde Spiel von auf- und ablaufendem Wasser nennen wir „Gezeiten“. Nichts geht mehr bei einer „Flaute“, denn dann herrscht Windstille und Segelschiffe dümpeln fast bewegungslos dahin. Allerdings schaukelt es oft, obwohl kein Seegang geht. Dann nämlich, wenn vorbeifahrende Schiffe „Schwell“, Wellengang, erzeugen. Zu erleben ist gleichzeitig eine „Krängung“, was nichts mit Krankheit zu tun hat, sondern die Schrägneigung an der Längsachse des Schiffes bedeutet.

Wo ist was und wie weit ist es?

Wenn etwas „dwars“ ist, dann ist damit gemeint, dass sich etwas rechtwinklig zur Mittschiffsebene querab vom Schiff befindet. Übrigens hat niemand die Faden verloren, wenn vom „Faden“ die Rede ist. Das ist das gängige, aus dem Englischen stammende, Tiefenmaß, wobei ein Faden 1,83 m entspricht. Auf dem Wasser messen die Seeleute Entfernungen übrigens nicht in Kilometern, sondern in Seemeilen. Die Länge einer Seemeile beträgt 1.852 m.

Schiffsbug der "Rau IX"
Schiffsbug. Foto: Tanja Albert

Bauten an Bord

Ein „Schanzkleid“ ist nicht die neueste Mode an Bord zum Captainsdinner, sondern die solide Brüstung bzw. die Verlängerung der Bordwand. Der „Niedergang“ führt als Treppe auf andere Decks.

Tiere und andere Gestalten an Bord

Nicht mit einem Eber zu verwechseln ist der „Ewer“, das flachbodige Fluss- und Küstenfahrzeug. Die „Hundewache“ wird pradoxerweise ohne Hund gegangen und zwar zu der unbeliebten Zeit von 0 bis 4 Uhr nachts. Beim „Kielschwein“ mag manch einer an eine vom Aussterben bedrohte Schweinerasse denken, aber hierbei handelt es sich um die Verstärkung des Schiffkiels. Und das „Krähennest“ ist keine Einrichtung, die Vögeln das Überqueren der Meere erleichtert, sondern eine erhöhte Plattform am Mast, der zum „Ausguck“, Ausschau halten, dient. Übrigens, ein „Lümmel“ ist kein ungezogenes Kind, sondern ein starker Bolzen, der am unteren Ende von Ladebäumen gelenkig angebracht ist. Und jedes Schiff hat einen „Moses“, auch wenn der Betreffende anders heißt. Das ist nämlich die Bezeichnung für den jüngsten Schiffsjungen an Bord.

Arbeit an Bord

„Reise, reise!“ ist nicht die freundliche Aufforderung, sich reisefertig zu machen, sondern der klare Befehl, aufzustehen. Sich in die „Riemen“ legen kann an ungeübten Händen schnell zu Blasen führen, denn das Rudern bzw. „Pullen“ mit den „Riemen“ will gelernt sein. Klar, dass dabei nicht getrödelt werden darf. Keiner wird sich mit einer Krankheit „anstecken“, denn das heißt, dass zwei Leinen miteinander verbunden werden. Eine schwere Arbeit ist das „Kalfatern“, bei dem die Fugen zwischen Deck und Außenhaut mit Baumwolle und Werg ausgestopft und mit Pech und Harz wasserdicht verschlossen werden. Und wenn das Kommando „löschen“ ertönt, muss man sich keine Sorgen machen, dass es irgendwo brennt, denn das ist der Befehl zum Entladen des Schiffes. Nach einem Brand könnte allerdings das „Lenzen“ anstehen, bei dem man mit Hilfe von Pumpen oder einem „Ösfass“, ein Gefäß zum Wasserschöpfen, das Wasser aus dem Schiffsraum pumpt. Dieses Wasser wird je nach Schiffsgröße vielleicht auch erst in die „Pütz“, ein kleiner Wassereimer aus Segeltuch, gegeben, bevor es außenbords gekippt wird. Und mit dem „Feudel“ wischt man das dabei verschüttete Wasser vom Boden wieder auf.

Festmacher und Bordleiter der "Seute Deern"
Festmacher und Bordleiter. Foto: Tanja Albert

Hoch hinaus oder tief hinab

Für viele ist das Leben und Arbeiten auf den Planken eines Schiffes das höchste Gut, aber trotzdem führt die „Jakobsleiter“ nicht in den Himmel, da es sich hier um eine Tauleiter mit Holzsprossen handelt, die außenbords zum Wasser führt.

Traditionsschiffe im Neuen Hafen
Traditionsschiffe. Foto: Tanja Albert

Gefahren an Bord

Es geschieht kein Mord an Bord, wenn es „killen“ heißt. Das bedeutet lediglich, dass die Segel im Wind flattern. Ernst wurde es jedoch früher, wenn ein Besatzungsmitglied „kielgeholt“ wurde. Das war eine schwere Bestrafung. Der Betroffene wurde mit einem Tau unter dem oft mit Muscheln bewachsenen Schiffsrumpf durchgeholt.

Doppeldeutig

Ihr seht, dass viele Begriffe für uns Landratten doppeldeutig sind. Meine Erläuterungen bringen euch aber vielleicht etwas Licht ins Dunkel. So seid ihr bestens vorbereitet, wenn euch der nächste Seemann mit seinem „Seemannsgarn“, einer erfundenen und bunt ausgeschmückten Geschichte, aufs Glatteis führen möchte.

Tanja mit ausgebreiteten Armen vor der Weser
Tanja Albert

Ich mag‘s bunt, und da hat Bremerhaven viel zu bieten! Aber oft liegen die Schätze im Detail und finden sich in Kleinigkeiten wieder. Diese zu entdecken, macht mir immer viel Spaß.

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