„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Dieses Zitat von Matthias Claudius (1740 – 1815) kann Christian nur bestätigen. Christian ist der Gewinner des Social Media-Gewinnspiels #MarTaBhv. Der Preis: ein Törn mit der „Götheborg“ von Bremerhaven nach Lissabon. Christian, der mit Segeln nichts am Hut hat, ahnt er noch nicht, was ihn erwartet. Abenteuer Windjammer – ein unvergessliches Reiseerlebnis der besonderen Art. Und das nicht nur, weil die „Götheborg“ wie ein Piratenschiff aussieht, das aussieht wie das Filmset von „Fluch der Karibik“.
Die „Götheborg“ ist ein echter Hingucker. Stolz liegt sie an der Kaje und zieht alle Blicke auf sich. Das Replikat des 1738 gebauten Ostindienfahrers sieht aus wie ein Piratenschiff. Sämtliche Baumaterialien dieses unter schwedischer Flagge fahrenden Vollschiffs sind die gleichen, wie sie auch 1738 verwendet wurden. Das waren damals Eichen- und Kiefernholz, handgeschmiedete Nägel und handgeflochtenes Tauwerk. Selbst die Kleidung der Crew ist der damaligen Garderobe nachempfunden.
Umso größer ist Christians Freude, solch eine tollen Törn auf Instagram #MarTaBhv gewonnen zu haben. Alles ist zwar recht kurzfristig. Aber es passt genau in seinen Urlaub, für den er noch nichts anderes geplant hat. Ins Reisegepäck sollen neben Sicherheitsschuhen auch Mütze, Schal und Handschuhe. Winterkleidung bei strahlendem Sonnenschein und Sommertemperaturen? Christian ist etwas irritiert. Dass das alles seinen Sinn hat, erfährt er später am eigenen Leib. Takelhemd, kurze und lange Hose und T-Shirts werden von Bord gestellt.
Ohne Trainees geht es nicht
Von den 80 Personen Besatzung sind etwa 55 Personen Trainees. Zu denen zählt auch Christian. Trainees sind Mitsegler, die auf dem Windjammer in alle Bordarbeiten mit eingebunden werden. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Trainees werden ist drei Gruppen eingeteilt, die unterschiedliche, jeweils vier Stunden dauernde, Wachen (Dienste) übernehmen. Christian hat Glück! Er erwischt die von 4 bis 8 und 16 bis 20 Uhr. Die härteste Wache ist die von 0 bis 4 Uhr, bei der man gegen die Müdigkeit ankämpfen muss.
Nach einer allgemeinen, englischsprachigen Einweisung werden die Kojen bzw. Hängematten belegt. Nach jeder Schlafenszeit werden die Hängematten abgenommen und eingerollt. Den Trainees stehen nur drei Toiletten und eine Dusche zur Verfügung. Privatsphäre gibt es hier keine.
Christian hat vor einigen Jahren einen Halbtagestörn während der „Maritimen Tage“ ab/bis Bremerhaven unternommen. Das ist aber kein Vergleich zu diesem Törn. Seinerzeit galt es nur, die Zeit an Bord zu genießen. Mit einem Getränk in der Hand auf den Planken stehend sanft über die Wellen der Weser schippern und die tolle Atmosphäre genießen.
Abenteuer Windjammer – doch was muss ich tun?
Heute heißt es, Hand anlegen. Doch wo, wie, was? Welcher Mast heißt wie, wofür sind die unzähligen Taue und Tampen der Takelage? Wann muss welche Arbeit verrichtet werden und wie geht das?
Aber die erfahrene Crew ist geduldig mit Neulingen und Landratten. Obwohl alle Erklärungen auf Englisch und teils Schwedisch erfolgen, finden sich alle Trainees zurecht. Einige sind schon öfter mitgesegelt. Das Abenteuer Windjammer lässt sie nicht mehr los und so „opfern“ sie gern jeden wohlverdienten Urlaub, um an Bord der „Götheborg“ mitzuarbeiten.
Kein Abenteuer ohne Mutprobe
Noch an der Kaje in Bremerhaven liegend erfolgt die erste Mutprobe. Die Trainees sollen die Wanten erklimmen und in die Rahen steigen. Eine kniffelige und anstrengende Herausforderung, die Mut erfordert. Stets gesichert geht es hinauf. Aber nicht wie auf einer festen Treppe, sondern auf beweglichen Tampen.
Und dann kommt’s! Die Wanten verjüngen sich in der Mitte des Masts. Darüber befindet sich die Sailing, eine kleine Plattform. Nun gilt es in Rücklage außen auf diese Sailing zu klettern. Wer sich das zutraut und es schafft, der nimmt den zweiten Aufstieg bis ganz nach oben in Angriff. Von dort geht es nach links und rechts in die Rahen.
Auch hier stehen alle auf einem sich ständig bewegenden Seil. Vornübergebeugt werden je nach Kommando die Segel gerefft (Segel verkleinern) oder gehisst (Segel setzen). Ein wahrer Kraftakt. Erschwerend kommt hinzu, dass kleine und große Trainees nebeneinander stehen. Die einen kommen kaum mit den Füßen in das Seil bzw. haben Mühe, das Segel zu erreichen. Die anderen müssen in unbequemer Hockhaltung versuchen, das Geforderte zu bewältigen. Und wer von Euch von einmal auf einer Anhöhe gestanden hat, weiß, dass es von oben immer doppelt so hoch aussieht wie von unten. Und das dann auch noch auf sich bewegenden Tampen und einem schaukelnden Schiff, denn das liegt selbst im Hafen an der Kaje nicht unbeweglich.
Leinen los und auf zum Abenteuer Windjammer
In den frühen Morgenstunden heißt es „Leinen los“. Die „Götheborg“ schleust hinaus auf die Weser mit Kurs Lissabon. Die Sonne steht strahlend am blauen Himmel und die See ist recht ruhig. Dank seiner Wachzeiten, bekommt Christian die schönsten Sonnenauf- und -untergänge zu sehen. Die sind so farbenprächtig und schön, dass niemand an Bord davon genug bekommen kann. Nur leider nicht im Liegestuhl sitzend mit einem kühlen Cocktail in der Hand, denn Alkohol gibt es Bord genauso wenig wie eine Internet-Verbindung.
Aber Faulenzen gibt es nicht an Bord. Zu den Aufgaben der Trainees an Bord zählen: Segelmanöver, Hilfsarbeiten in der Kombüse, Messe (Speisesaal) eindecken, Speisen auftragen, Geschirr abräumen, spülen, Feuerwache gehen, Ausguck halten, Decksarbeiten, sanitäre Anlagen und Schlafraum reinigen, Schiff steuern… Das Gute daran: Alle packen mit an. Nur gemeinsam kann solch ein Schiff gesteuert werden. Der Kapitän ist nichts ohne seine Crew und die Crew allein nichts ohne den Kapitän. Und so ist es genauso wichtig, Gemeinschaftsräume klar Schiff zu machen wie pünktlich Mahlzeiten zu servieren, um Kraft für die Arbeit zu tanken, als auch das Schiff auf Kurs zu halten. Alles greift wie ein Uhrwerk ineinander.
Die Verpflegung an Bord ist reichhaltig und lecker. Zum Frühstück gibt es sogar Eier und Bacon. Zum Mittag gibt es warme Speisen und zum Abendbrot kalte. Eine Besonderheit gibt es allerdings auf der schwedischen „Götheborg“ – Fika! Frei übersetzt ist Fika eine Kaffeepause. Gemeinsam mit anderen genießt man ein paar Kekse oder Plundergebäck zu einer Tasse Kaffee. Das wird auch eingehalten, wenn Wache gegangen wird. Die Trainees lösen sich für die kurze Auszeit gegenseitig ab. Eine prima Tradition, findet auch Christian.
Augen auf im Utkiek!
Christian krabbelt in den Utkiek, der sich vor (Bug) am Schiff befindet. Konzentriert muss er voraus auf die See blicken und nach Gefahren und möglichen Begegnungen Ausschau halten. Gefahren sind beispielsweise im Wasser treibende herrenlose Fischernetze, die sich im Ruder verfangen können, oder große Container, die irgendwo von einem Ozeanriesen über Bord gegangen sind. Mögliche Begegnungen ist kreuzende Schiffe. Wenn Christian so etwas entdeckt, krabbelt er über die schaukelnden Tampen zurück an Bord und meldet es dem Offizier. Meist hat der das aber schon selbst entdeckt. Aber doppelt hält ja bekanntlich besser. Und (fast) nichts ist schlimmer, als ein Zusammenstoß mit einem Hindernis, was vielleicht ein Leck im Schiffsrumpf beschert. Beim Dienst im Utkiek wird Christian auch klar, warum Mütze, Schal und Handschuhe empfohlen sind. Obwohl es trocken ist und die Sonne scheint, wird es hier im ungeschützten Utkiek empfindlich kühl.
Das Abenteuer Windjammer bekommt beim Rudergehen einen weiteren, neuen Kick. Auto- oder Motorradfahren ist etwas ganz anderes als ein Schiff zu steuern. Erstens sind viel mehr Menschen mit an Bord, für die man auch eine Verantwortung trägt. Zweitens gibt es keine Fahrbahnmarkierungen oder Richtungsschilder. Und letztendlich reagiert ein Schiff komplett anders als ein PKW. Auf der „Götheborg“ stehen zwei Ruder hintereinander. Die- oder derjenige, der am vorderen steht, hat die Hauptverantwortung. Wegweiser und Schilder Fehlanzeige. Gefahren wird nach Kompass. Der Kurs wird vom Offizier mitgeteilt. Aber dann… Christian will den Kurs nur leicht korrigieren. Und es passiert….nichts! Schnell noch etwas nachjustiert. Und endlich dreht das Schiff langsam in die angedachte Richtung. Doch was ist das?!? Auf einmal dreht es viel zu weit in die zuvor angepeilte Richtung. Das ist das Vertrackte daran. Ein Schiff reagiert viel langsamer als ein Auto. Dafür gilt es erst einmal ein Fingergefühl zu entwickeln.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Es dauert auch nicht lange, da schaut der Offizier vorbei und fragt, was Christian da tut. Scherzhaft antwortet er, dass er seinen Namen in die See schreiben will. „Aha, dann fängt dein Name wohl mit einem W an“, entgegnet der Offizier und verschwindet wieder auf seinen Posten. Und so kommt es, dass Christian seinen Bordspitznamen Willy verpasst bekommt. Aber er nimmt es mit Humor.
Das Abenteuer Windjammer bringt aber auch wunderschöne Erlebnisse mit sich. Eine ganze Zeit lang begleiten Delphine das Schiff. Und als ein Wal auftaucht und bläst, lässt sich selbst die erfahrene Crew das Schauspiel nicht entgehen. Ein Naturerlebnis, das es nicht alle Tage zu sehen gibt.
An Bord gibt es immer etwas zu tun. Zwischendurch müssen Segel instand gesetzt werden, das Deck gesäubert, Planken neu gestrichen, Tampen umwickelt und vieles mehr werden. Aber auch diese Reise geht einmal zu Ende. Und so erreicht die „Götheborg“ Lissabon nach gut zweiwöchiger Seereise. Christian ist ko, denn die ungewohnte Arbeit ist kräftezehrend, aber auch glücklich. Sein Seesack ist schwerer als vor Antritt des Törns. Denn in ihm sind jetzt zusätzlich noch eine Menge neuer Eindrücke, die er sonst sicher nie im Leben gemacht hätte. Außerdem schweißt die Gemeinschaft an Bord zusammen. Christian hat sich an Bord mit Peter aus Stockholm angefreundet, den er dieses Jahr im Sommer in Schweden besuchen wird.
Das Abenteuer Windjammer ist zu Ende. Aber wer weiß, ob sich bei den Maritimen Tagen vom 16. bis 20. August nicht ein neues Abenteuer ergibt.
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