Die Sonderausstellung des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven (DSM) „360° POLARSTERN – Eine virtuelle Forschungsexpedition“ unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von anderen Ausstellungen. Als Geschichtsstudent und Praktikant im DSM konnte ich mir selbst ein Bild von der „virtuellen Forschungsexpedition“ des wohl wichtigsten deutschen Forschungsschiffes machen. Die Ausstellung bietet den Besuchern noch bis zum 31. März 2020 Zeit, alles zum Thema Forschen, Leben und Fahren auf der POLARSTERN zu erfahren und zwar so, als wäre man mittendrin statt nur dabei.
Vorbereitung auf die Forschungsfahrt
Direkt am Anfang der Ausstellung lag für mich ein Expeditionsbuch bereit, das ich zur Orientierung nutzen konnte – aber nicht musste. Denn die einzelnen Stationen spiegeln die verschiedenen Bereiche wider und können auch für sich betrachtet werden. Diese freie Struktur bietet den Vorteil, dass man nicht warten muss, bis ein Platz frei wird, sondern erst mal andere Exponate betrachten kann. Die Wartezeit hält sich dank mehrerer Brillen pro Station außerdem in Grenzen. Noch bevor die Reise beginnt, wird das Polarschiff mit Augmented Reality und einem großen Bildschirm mit Touchscreen interaktiv vorgestellt. Den Besuchern wird die Möglichkeit gegeben, selbst zu entscheiden, welche Bereiche der POLARSTERN sie sich anschauen möchten. Eine zu statische Struktur wird oft als Kritikpunkt von konventionellen Ausstellungen angesehen. Mit diesem Punkt wird hier gebrochen und mir die Möglichkeit geboten, mich einfach hinzusetzen und in das Leben auf dem Schiff einzutauchen.
An Bord
Der Kern der Ausstellung besteht aus drei Bereichen, die die Arbeit auf dem Eisbrecher am besten widerspiegeln: Forschen, Leben und Fahren. Jeder Teil ist in einer unterschiedlichen Farbe gestaltet und die ganze Ausstellungsfläche stellt das Schiff in einem Maßstab von 1:2 dar. Bereits diese künstlerisch sehr gelungene räumliche Einteilung stimmt die Museumsgäste auf das Borderlebnis ein. Alle drei thematischen Bereiche bieten eine Virtual Reality (VR)-Station mit jeweils vier Brillen an. Mit diesen bekommt man die Möglichkeit, in das Leben in und auf dem Schiff einzutauchen. Durch den 360-Grad-Blickwinkel kann ich mich wie ein Mitglied der Crew fühlen, Forschern und Besatzungsmitgliedern bei der Arbeit über die Schulter gucken und die Atmosphäre der ganzen Situation erspüren. Plötzlich eine Überraschung: Einer der Stühle beginnt zu vibrieren, denn ich bin im Maschinenraum, wo das Brummen der Motoren buchstäblich den ganzen Körper durchdringt.
Das Drumherum
Die Technik lässt sich sehr leicht bedienen und sollte für alle Altersgruppen kein Problem darstellen. Ansprechpersonen aus dem Aufsichtsteam sind immer vor Ort und helfen bei Bedarf bei Fragen. Ein großer Vorteil der VR als Ausstellungsmedium offenbart sich mir beim Beobachten der anderen Gäste. Alt und Jung zeigten unmittelbar Begeisterung für die Technik. Der Erfolg des Formats der Ausstellung spiegelt sich auch in der bunten Mischung der Besucher wider.
Mit originalen Exponaten, wie etwa Arbeitskleidung oder Unterwasserrobotern, kann ich jedoch auch ohne Brille viel über die Arbeit an Bord erfahren. Jede Station bietet Lesestoff mit Fakten, Beschreibungen und vielen weiteren Informationen zu den Objekten und den Teilabschnitten. Die typischen Vitrinen sind nur ein kleiner Teil der Ausstellung.
Zurück im Hafen und Ausblick
Zum Abschluss der Ausstellung begebe ich mich ein letztes Mal mit Hilfe von VR auf die POLARSTERN, um ihren Aufbruch aus dem Heimathafen Bremerhaven zu erleben. Die Idee, die Abfahrt des Schiffes an das Ende zu setzen, finde ich besonders passend. Mit den Erkenntnissen und Erfahrungen, die ich in der virtuellen Reise mitgenommen habe, kann ich nun ganz anders auf die Abreise des Schiffes blicken. Ich wusste nämlich, was der Crew bevorsteht.
Eine „Polarlounge“ bietet nochmal die Möglichkeit, die eigenen Eindrücke und Fragen auf einem Flipchart oder einer Pinnwand mitzuteilen. Was aktive Beteiligung angeht, kann ich mich bei diesem Museumsgang also nicht beschweren, es gibt genug Möglichkeiten sich einzubringen. Durch das virtuelle Eintauchen in die Welt auf dem Schiff bekommt man das Gefühl, ein Teil der Besatzung zu sein. Auf einem Flipchart in der „Polarlounge“ stand geschrieben: Vitrinen vs. Virtual Reality. Die Besucher konnten dort ihre Meinung zu dem Thema äußern. Ich sage, wieso das eine oder andere? Diese Sonderausstellung hat mir gezeigt, dass es nicht so oder so sein muss, sondern alt mit neu kombinierbar ist. Eine Kombination von historischen Exponaten mit digitalen Hilfsmitteln also. Ich freue mich definitiv auf weitere spannende Ausstellungserlebnisse mit virtuellen und realen Erlebnissen.
Autor: Denis Scheffing
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