Lust auf eine Ausfahrt? Die neue Ausstellung „Land gewinnen“ nimmt euch mit auf die Expedition mit der METEOR I. Vermesst die Tiefe, verliert Geld beim Schildkrötenrennen und hofft auf Gold am Meeresboden.
Ich stehe im Forschungsdepot des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven, nahe des Fischereihafens, umgeben von alten Holzkästchen, die aussehen, als hätten sie ein Jahrhundert auf mich gewartet. Und genau das haben sie. Als ich eines davon öffne, fast ehrfürchtig, kommt ein kleines Papierbriefchen zum Vorschein. Darin: eine Glasplatte mit einem leicht verschwommenen Bild. Ich halte sie gegen das Licht – und plötzlich bin ich mittendrin, auf hoher See, irgendwo im Südatlantik, zwischen stürmischer Gischt und konzentrierten Gesichtern an Deck der METEOR I. Die Kiste ist das Fenster zu einem Stück Wissenschaftsgeschichte: Die METEOR-Expedition.

Science-Fiction auf See
Vor fast 100 Jahren, von 1925 bis 1927, durchquerte das deutsche Forschungsschiff METEOR den Atlantik. Nicht nur einmal, sondern gleich 14 Mal. An Bord des Forschungsschiffes: Wissenschaftler, Techniker, Seeleute – und jede Menge Ideen. Ideen, die damals noch verrückt klangen: Den Meeresboden kartieren? Strömungen messen? Gold aus Meerwasser gewinnen? Klingt nach Science-Fiction – war aber wissenschaftlicher Alltag auf dieser Pionierfahrt. Die METEOR-Expedition war eine der wichtigsten deutschen Forschungsfahrten.

Schildkrötenrennen auf der METEOR
Und jetzt, 2025, kehrt diese Expedition in unsere Gegenwart zurück. Das DSM zeigt ab dem 25. Juni 2025 – passend zum Internationalen Tag der Seeleute – die neue Sonderausstellung „Land gewinnen – Die Deutsche Atlantische Expedition von 1925 bis 1927“. Den Anstoß für die Ausstellung gab die Kiste mit den Glasplatten, die das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel dem DSM schenkte. 1600 historische Negative, die Szenen der Expedition zeigen, wie es sie nie zuvor gab und kein Geschichtsbuch sie bisher vermitteln konnte. Auf der METEOR legte die Crew den Grundstein für die moderne Wissenschaftskommunikation.
Fotos mit Seegang
Zu sehen sind Technik und Messinstrumente und Männer, die bei schwerem Seegang ein Echolot bedienen oder eine Szene beim Landgang in Westafrika. Besonders faszinieren mich die Aufnahmen, die das Leben an Bord zeigen. Und dieses gestaltete sich bisweilen tierisch spaßig. Die Mannschaft ließ Schildkröten zu einem Rennen über die Planken antreten. Ein Dackel und ein Affe wurden zu Schiffsmaskottchen getauft. Über diese Sidefacts der Wissenschaftsreise freue ich mich besonders, weil durch die Fotos die vermeintlichen Nebendarsteller der METEOR-Expedition ins Rampenlicht geraten und ganz alltägliche Details vom Seeleben preisgeben.

Wenig glanzvoll: Die Goldenen Zwanziger
Doch die Ausstellung will nicht nur staunen lassen – sie will auch zum Nachdenken anregen. Denn hinter all der wissenschaftlichen Neugier steckte damals auch politische Absicht. Deutschland, durch den Ersten Weltkrieg isoliert, wollte mit der METEOR-Expedition wieder international mitspielen. Dass das Schiff gerade in ehemaligen Kolonialgebieten anlegte, ist kein Zufall. Genau hier setzt die Ausstellung einen wichtigen Akzent: Die Expedition wird nicht nur als Meilenstein der Ozeanografie gezeigt, sondern auch kritisch beleuchtet – mit Perspektiven etwa aus Namibia, das einst deutsche Kolonie war.
Euer Ticket für die METEOR
Worauf ihr euch in der neuen Sonderausstellung freuen könnt? Auf eine spannende Expedition über den Atlantik bis zum Meeresgrund. Wie sieht es dort aus? Gibt es dort sogar Gold? Welches historische Wechselspiel zwischen Wissenschaft und Politik herrschte damals? Ihr dürft Messinstrumente ansehen, Seekarten durchscrollen und die METEOR-Expedition mit dem Finger auf der Karte nachreisen.
Triumph der Ananasbowle auf dem Forschungsschiff
Neben Seekarten, Briefen, Logbüchern und Co. ist mein Favorit das Original Tagebuch von Kapitän Fritz Spieß. In Schnörkelschrift beschreibt er eindrücklich Begegnungen mit Menschen in anderen Ländern und Naturschauspiele. Ich muss schmunzeln, wenn ich seine Bemerkungen über das Kulturprogramm an Bord lese: Er hasste Jazz, dennoch spielte die Kapelle ihn später regelmäßig an Bord und erfreute die Mannschaft. Weniger wissenschaftlich, aber geschmacklich wichtig ist der Aufstieg der Ananasbowle durch die METEOR-Expedition. Die Verpflegung an Bord ist wichtig. Das weiß ich bereits von Teilnehmenden der MOSAiC-Expedition. Das exotische Getränk wurde als kulinarische Entdeckung anscheinend so gefeiert, dass es in mehreren Quellen erwähnt wurde und nun in die Geschichte eingeht. Nachschmecken könnt ihr das in einem Cocktailabend im Stil der Zwanziger Jahre, bei altem Sound und natürlich der Bowle, die dann eine Renaissance erlebt. Schaut auch gern auf das weitere Programm, es trifft hoffentlich euren Geschmack und macht Lust auf Meer. Hier ein kleiner Ausblick.
Vorhang auf im Scharoun-Bau für die METEOR-Expedition
Ich freue mich besonders auf die Theatervorführung des bekannten Ensembles Das Letzte Kleinod. An drei Terminen gibt es exklusive Premieren im doppelten Sinne: Das Schauspiel-Team bringt am 27., 28. und 29. Juni 2025 das Dokumentar-Stück METEOR auf die Bühne und zwar im sonst geschlossenen Scharoun-Bau. Das Ensemble blickt auf die historische Fahrt zurück, bringt das Publikum in Berührung mit fliegenden Fischen, Rochen und allerlei Getier aus der Tiefe. Vor allem junge Forschende werden Spaß haben, die Bordmaskottchen – Dackel und Affe – auf einer Hörstift-Rallye durch die Ausstellung zu jagen. Einige Tastmodelle machen die Expedition auch für Menschen mit Handicap zu einem fühlbaren Erlebnis.

An Land geblieben: Die wichtigste Frau der METEOR-Expedition
Meine persönliche Hauptperson der Crew ist übrigens eine, die gar nicht mit an Bord durfte, aber die Expedition maßgeblich mitgestaltet hat. Lotte Müller war die erste Ozeanografin und organisiert die Logistik der METEOR-Expedition. Da Frauen zu dieser Zeit an Bord nicht erlaubt waren, durfte sie selbst nicht mitfahren. Die Ausstellung „Land gewinnen“ setzt ihr nun 100 Jahre später ein kleines Denkmal.
Abtauchen in die Forschung: 100 Jahre METEOR nachreisen
Ab dem 26. Juni 2025 könnt ihr selbst an Bord kommen. Ich verspreche euch: Ihr werdet nicht nur den Meeresboden mit anderen Augen sehen, sondern auch die Geschichte, die ihn umgibt. Für mich hinterlässt die Ausstellung den Eindruck, dass Wissen nicht nur vermessen, sondern immer auch verhandelt wird – und dass sich echte Entdeckungen oft genau dort verstecken, wo man nicht mit ihnen rechnet: in einem unscheinbaren Holzkästchen.
Ihr wollt mehr über das Begleitprogramm der neuen Sonderausstellung „Land gewinnen – Die Deutsche Atlantische Expedition von 1925 bis 1927“ wissen und Tickets für das Theaterstück buchen? Dann schaut auf die DSM-Kalender-Website.